meinungsstark
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Rechte sind sich einiger als Linke

„Der lange Atem der Neonazis“, taz vom 5. 2. 18

Ich freue mich, dass die taz dieses Thema so ausführlich aufgreift. Die radikale Rechte war schon immer – mehr oder weniger latent – gefährlich.

Die Nazis waren nie weg, die Täter noch da, nach 1945. Viele im Maschinenraum der Gesellschaft – in der Justiz. Das erklärt auch, dass heute die letzten über 90-jährigen Täter vor Gericht gestellt werden. Die belasteten Richter und andere Täter sind nicht mehr im Amt oder verstorben.

In Hamburg waren ab den 70ern die Hansa-Bande, Michael Kühnen, Wehrsportgruppe Hoffman und der Rechtsanwalt Rieger relativ unbehelligt „national“ aktiv. Die Justiz weigerte sich, Richter zu verurteilen, die in der NS-Zeit wegen Nichtigkeiten – Diebstahl eines Brotes zum Beispiel – Todesstrafen aussprachen. Der ehemalige Gauleiter Hamburgs, Karl Kauffmann, der verantwortlich für das KZ in Hamburg-Fuhlsbüttel war, konnte wie viele andere unbehelligt bis zu seinem Tod im Jahr 1969 in Hamburg leben. Die Alt- und Neonazis konnten schon immer sichtbar oder unsichtbar agieren – bis hin zur politischen Führung im Bundeskanzleramt, im Auswärtigen Amt oder als Ministerpräsident. Die Stunde null 1945 war ein schönes Märchen.

Es lohnt sich, genau hinzusehen. Und vielleicht viel entschlossener zu handeln, denn die Rechte ist vereint und skrupellos – das macht sie gefährlich. Von den demokratischen (linksorientierten) Parteien kann eine Einigkeit nicht behauptet werden. Diese Uneinigkeit war eine Ursache für die Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 und die Restauration nach 1945. Wo stehen wir heute? Jens Gärtner, Ahrensburg

Vernunft gegen Verzweiflung

„Eine schrecklich weiße Familie“, taz vom 5. 2. 2018

Sehr geehrte Frau Aydemir, ich möchte Ihnen meine volle Zustimmung für Ihren Beitrag aussprechen – wie für die meisten anderen Ihrer Kolumnen auch!

Die Beschlüsse der regierenden Parteien sind eine einzige Katastrophe, auf fast allen Gebieten, nicht nur Migrationsfragen betreffend. Zu erwähnen wäre noch, dass selbst die offiziell vereinbarten 1.000 Personen vermutlich nicht werden kommen können, denn dazu bräuchten sie Einreisepapiere. Diese müssen in deutschen Botschaften beantragt werden. Für Syrien kommt de facto nur die Botschaft in Aman in Jordanien in Frage. Da muss aber ein Termin gefunden werden. Den Termin gibt es nur durch Buchung per Internet. Theoretisch! In der Realität gibt es keine Termine. Sie wissen das wahrscheinlich – einen Termin gibt es nur nach sehr langer Wartezeit und gegen hohe Bestechung, die aber natürlich nicht so heißt. „Terminhändler“ außerhalb der Botschaft kapern sämtliche Termine und verscherbeln sie dann, am besten denselben Termin mehrmals, angeblich ohne jedes Wissen der Botschaft und offiziell selbstverständlich ohne deren Mitwirkung.

Die Botschaft warnt sogar vor diesen Leuten, bietet aber nur leere Seiten für die Buchungen an. Es wäre eine interessante Aufgabe für investigative Journalisten herauszufinden, wie die Termine von der Botschaft zu den „Händlern“ gelangen, und warum man das nicht unterbinden kann.

Ich habe diese Prozedur begleitend für einen syrischen Flüchtling selbst verfolgt und miterlebt und an die Botschaft in Aman geschrieben, zu einer Zeit, als der Familiennachzug noch nicht gestoppt war. Selbst da war es schwierig, schwierig, schwierig! Am Ende haben wir aus Verzweiflung gezahlt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die deutsche Regierung es uneingestanden begrüßt, in der Botschaft in Aman ein derart enges Nadelöhr zu besitzen.

Es ist wichtig, die Missstände zu sehen und zu benennen. Ich wünsche Ihnen dennoch, dass Sie auch die Inseln der Vernunft und der menschlichen Größe ab und zu erleben oder wahrnehmen. Übrigens wünsche ich mir das selbst ebenfalls, denn sonst bliebe nur die reine Verzweiflung.

Und damit Sie mich einordnen können: Ich bin weiß, deutsch, gemäß Geburtsurkunde und Ausweis männlich und alt, glaube aber, dass das nur die Beschreibung des Äußeren ist. Jens Böhling, Hitzacker