: Dem Schichtsystem entgehen
In Findorff gibt es seit kurzem eine „Praxis für Beleggeburten“, die die Frauen nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch zur Entbindung in die Klinik begleitet. Der Vorteil: Auch bei Komplikationen ist immer die selbe Bezugsperson dabei
Insgesamt 60 Geburten hatten die Mitarbeiterinnen der „Findorffer Hebammengemeinschaft“ im vergangenen Jahr. Vor drei Monaten haben sie sich in „Bremer Hebammengemeinschaft – Praxis für Beleggeburten“ umbenannt. Ein Interview mit Hebamme Ute Bruckermann.
taz: Welches Konzept steckt hinter dem Begriff „Beleggeburt“?
Ute Bruckermann: Die Frauen lernen uns in der Schwangerschaft bereits kennen, und wenn sie dann Wehen haben, rufen sie diejenige, die Rufbereitschaft hat, an und wir gehen dann mit ihnen zusammen in die Klinik, die sie sich ausgesucht haben. Wir betreuen sie bei der Geburt, bleiben bis das Kind da ist und betreuen sie im Wochenbett, wenn sie dann nach Hause gehen.
Mit welchen Kliniken arbeiten Sie zusammen?
Die Beleggeburten können wir im Klinikum Bremen-Nord und im Diakoniekrankenhaus anbieten. Die anderen Kliniken sind dafür noch nicht offen – obwohl Belegsysteme eigentlich nichts Neues sind. In Süddeutschland, wo die Geburtenzahlen niedriger sind, ist es Gang und Gäbe und viel verbreiteter als hier, dass Hebammen im Belegsystem arbeiten. Aber nicht an Kliniken, die festangestellte Hebammen haben, sondern nur an denjenigen, die ein reines Belegsystem haben, weil die Geburtszahlen nicht ausreichen.
Warum Beleggeburten? Man kann doch auch einfach zur ambulanten Entbindung in die Klinik gehen.
Ambulante Geburt heißt ja trotzdem, dass man auf jeden Fall normal von den Klinik-Hebammen im Schichtsystem betreut wird. Dadurch, dass wir zu den Frauen erst mal nach Hause gehen, dann zusammen in die Klinik fahren, kennt man sich schon, man ist sich einfach schon vertrauter untereinander. Bei einer ambulanten Geburt weiß man nicht, welche Hebamme einen betreut. Man hat sie vorher nicht kennen gelernt, man hat unter Umständen einen Schichtwechsel. Außerdem können die Frauen schon vorher mit uns ihre Wünsche, zum Beispiel die Gebärposition, Wassergeburt und so fort besprechen.
Diese Vorteile haben Frauen auch bei einer Hausgeburt oder Geburtshaus-Geburt. Was ist denn dann das Besondere an einer Beleggeburt?
Wenn Frauen nach einem Informationsgespräch mit mir sagen, sie wollen lieber eine Hausgeburt haben, weil sie gar nicht in den Klinikalltag hinein wollen, dann freue ich mich eigentlich nur darüber. Bei einer Hausgeburt ist allerdings das Risiko da, dass man sie abbrechen muss. Das ist zwar selten der Fall. Aber die Kriterien, wann man eine Hausgeburt oder eine Geburtshausgeburt abbrechen muss, sind immer die gleichen : Wenn es pathologisch wird. Wir hingegen können bleiben, bis das Kind da ist, auch wenn es ein Kaiserschnitt wird.
Welche Frauen kommen zu Ihnen?
Frauen, denen es wichtig ist zu wissen, welche Hebamme bei der Geburt dabei ist, die sie vorher kennen lernen wollen. Auch Frauen, für die eine Hausgeburt nicht in Frage kommt, die lieber in die Klinik gehen wollen. Viele Frauen trauen sich eine Hausgeburt nicht zu oder sie haben ein Risiko in der Schwangerschaft, so dass eine Hausgeburt oder eine Geburtshausgeburt nicht möglich ist.
Fragen: Edith Diewald