Fördern, ohne zu fordern

In seinem Dokumentarfilm „Free Lunch Society“ diskutiert Christian Tod nicht über das bedingungslose Grundeinkommen – er fordert es. Die USA standen schon einmal kurz davor, etwas Ähnliches einzuführen

Von Hannes Koch

Der Film startet mit einem erzählerischen Trick. Aus dem 24. Jahrhundert wirft er den Blick zurück in unsere Zeit und erklärt: Damals hätten die Menschen endlich den großen Wurf geschafft. „Free Lunch Society“, der anderthalbstündige Dokumentarfilm, plädiert für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens.

Dieses umstrittene politische Konzept sieht grundsätzlich vor, dass alle Bürger*innen eine garantierte staatliche Zahlung erhalten, die einen menschenwürdigen Lebensunterhalt sichert. Von bisherigen Modellen der Sozialhilfe oder des Arbeitslosengeldes unterscheidet sich das Grundeinkommen, indem wenige oder keine Bedingungen für seine Auszahlung gestellt werden. In der Hartz-IV-Sprache könnte man sagen: fördern, ohne zu fordern.

Der Film von Autor und Regisseur Christian Tod erscheint treffgenau jetzt, da die Debatte über die Modernisierung des Sozialstaats neuen Schwung bekommen hat. Nach den von SPD und Grünenbeschlossenen Hartz-Reformen stand das Thema vor zehn Jahren schon mal auf der politischen Tagesordnung. Zur Dringlichkeit trägt bei, dass die sozialen Spannungen zwischen Unter- und Mittelschicht einerseits sowie der Elite andererseits zunehmen, dazu steht eine neue Welle der digitalen Rationalisierung in der Wirtschaft bevor, die Millionen Arbeitsplätze gefährdet.

So hat die Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen in Schleswig-Holstein beschlossen, neue Ansätze wie das Grundeinkommen zumindest zu prüfen. Und in Finnland läuft seit einem Jahr ein staatliches Experiment mit 2.000 Teilnehmer*innen, das Parlament und Regierung helfen soll, das bisherige System weiterzuentwickeln.

Regisseur Tod diskutiert in seinem Film nicht, sondern er fordert. Kritiker*innen des Grundeinkommens treten kaum auf, dafür jedoch Befürworter unterschiedlicher Provenienz, auch liberale Ökonomen. Daraus entsteht Spannung. Sowieso ist erstaunlich, dass das grundsätzliche Konzept des Grundeinkommens auf ultra-liberalen, konservativen wie auch linken Argumenten fußen kann. Das Potenzial, spektren- und parteiübergreifend anzudocken, macht einen Teil seiner Relevanz aus.

Erhellend wirkt der Film, indem er einige praktische Beispiele, Experimente und Politik­ansätze vorstellt. In den Alaska Permanent Fund etwa fließt seit 1977 ein Viertel der staatlichen Einnahmen durch die Erdölförderung im nördlichsten Bundesstaat der USA. Die Hälfte der jährlichen Kapitalrendite wird nahezu ohne Bedingungen unter den Einwohner*innen Alaskas aufgeteilt. 2014 bekam jeder einen Scheck über 1.884 Dollar (ungefähr 1.500 Euro), 2016 waren es 1.022 Dollar. Solche Beträge reichen nicht zum Leben, sie illustrieren jedoch die Logik des Grundeinkommens.

In der Regierungszeit des republikanischen US-Präsidenten Richard Nixon (1969 bis 1974) stimmte das Abgeordnetenhaus in Washington einer Art Grundeinkommen tatsächlich schon zu. Das Konzept des Familienhilfsprogramms hatte Nixons demokratischer Vorgänger Lyndon B. Johnson ausarbeiten lassen. Arme US-Bürger*innen, die nur niedrige Einkommen erwirtschafteten, sollten zusätzlich eine garantierte staatliche Unterstützung erhalten. Wegen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien blieb die Reform jedoch stecken und trat nicht in Kraft.

Der Film läuft nun in über 100 Kinos in rund 90 bundesdeutschen Städten. Im Anschluss an die Premiere am Donnerstagabend in Berlin verloste die Organisation „Mein Grundeinkommen“ wieder einige 12-Monats-Pakete. Die Ge­win­ner*innen erhalten aus Spenden ein Jahr lang 1.000 Euro monatlich geschenkt. Die Berichte der bisherigen Teilnehmer*innen über ihre Erfahrungen sind durchweg euphorisch.

„Free Lunch Society: Komm komm Grundeinkommen“. Regie: Christian Tod. Österreich/Deutschland 2017, 95 Min.