: „Wo können wir leben?“
BUCH Zwischennutzung ist ein verzweifeltes und nachhaltiges Konzept, mit Räumen umzugehen
■ 35, ist Diplom-Ingenieur, Vater zweier Kinder und Zwischennutzungsaktivist.
taz: Herr Schnier, ist es nötig, Zwischennutzung mit Theorie aufzupimpen?
Daniel Schnier: Wenn Sie damit meinen, ob es nötig ist, über sie nachzudenken – dann ist die Antwort ein klares Ja.
Aha. Und warum?
Um sie nicht zum neoliberalen Verwertungsansatz verkommen zu lassen. Es geht beim Zwischennutzen darum, etwas Vorhandenes anders zu präsentieren, seine Möglichkeiten ins Bewusstsein zu rücken, sodass es anstelle eines Abrisses nach und nach zu einer Umnutzung kommen kann…
… womit es ja doch wieder der Verwertungslogik anheimfällt. Wie kann Ihr Buch das verhindern?
Das ist in der Tat schwierig: Das Buch ist auch nicht ein einheitliches, rein theoretisches Programm, schon allein deshalb, weil es kein einheitliches Programm für Zwischennutzung oder Gebäuderecycling geben kann. Es bedeutet ja immer, auf die besondere Situation zu reagieren, mit der Geschichte des Gebäudes umzugehen, seiner vorherigen Funktion.
Inwiefern?
Es ist doch ein großer Unterschied, ob ein Gebäude vorher eine Miederwarenfabrik war, eine Kunstschneiderei oder eine Güterabfertigung. Deshalb ist das Buch auch kein Reader mit wissenschaftlichen Aufsätzen, sondern eher eine Sammlung unterschiedlicher Ansätze, nicht anekdotisch, aber aufgrund von persönlichen Erfahrungen.
…aus Bremen?
Aus Bremen und aus Berlin, Hamburg, Kopenhagen, Madrid, Rotterdam – das ist eine europaweite Bewegung.
Weil’s hip ist?
Eher steht die Kostenfrage im Vordergrund: Wenn in Spanien die Hälfte der jungen Menschen keine Arbeit hat, dann stellt sich vielen die Frage, wo und wie können wir überhaupt leben?
Es gäbe also keine Ästhetik der Zwischennutzung?
Ja und nein. Erstmal würde ich sagen, sie ist eher zweitrangig: Wenn man in eine ehemalige Werkhalle einzieht, ist es zunächst wichtig, die Heizung zum Laufen zu kriegen. Wie es aussieht, fragt man sich da nicht so dringend.
Aber?
Der Prozess der Transformation des Gebäudes bekommt auch eine eigene Bedeutung. Gerade wenn man weiß, es ist alles nur vorläufig, es kann sein, nächste Woche oder morgen muss alles vielleicht schon wieder abgebaut werden, dann ist das Unfertige das Spannende. INTERVIEW: BES
Michael Ziehl, Oliver Hasemann, Sarah Oßwald und Daniel Schnier (Hg.): second hand spaces, jovis Verlag, 464 Seiten, 29 Euro
Lesung und Buch-Release: Hansator 1, (ehemalige Abfertigung), 19.30-21.30 Uhr