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: Um eine Hand kürzer, um ein Auge ärmer

„Blade of the Immortal“ (Japan 2017, Regie: ­ Takashi Miike)

Blutbad ist gar kein Ausdruck. Wo dieser Samurai hinhaut, wächst kein Gras mehr. Dafür liegen, wie auf einem Dorf-Bruegel-Gemälde mit Höllen-Bruegel-Inhalt, schockweise Leichen in die Tiefe des Raums der Breitleinwand gestreut, rechts und links und mitten im Weg: ein Stillleben, wenn es beim Regie-Berserker Takashi Miike je eines gab.

Links vorne qualmt’s noch ein bisschen, von rechts hinten schleppt sich der Mann, dem sich die Verwüstung verdankt, um eine Hand kürzer, um ein Auge ärmer, hier ein Hieb, da ein Schnitt, aber summa summarum doch lebend, heran. Was noch fehlt: Blutwürmer unter die Haut, da wächst die Hand wieder an, mehr noch: Sie machen den Samurai Manji (Takuya Imura) unsterblich. So ungefähr jedenfalls. Und ins Gesicht und in den Film, der bis hierhin schwarzweiß war, tritt die Farbe.

Dieses war der erste Streich. Fünfzig Jahre vergehen. Manji lebt zurückgezogen, Narben am Körper und im Gesicht, etwas braut sich zusammen. Ein neuer, brutaler Samurai-Clan namens Ittō-ryū strebt nach der Macht, ­angeführt von einem jungen und sehr attraktiven Mann namens Anotsu Kagehise (Sota Fukushi), der aussieht wie ein J-Pop-Star unserer Tage.

Die Ittō-ryū marodieren durch das Japan der Edo-Zeit, in dem der Film spielt, sie töten die Vertreter traditioneller Kampfkünste, um alle Dojos des Landes unter ihre Herrschaft zu zwingen. Einer, der dabei sterben muss, ist der Vater eines Mädchens mit Namen Rin (Hana Sugisaki). Sie ist selbst ausgebildet im Kampf mit dem Schwert – und fiesen kleinen Wurfschlitzklingen –, aber zu jung, um das Geschäft der Rache auf eigene Faust zu übernehmen. Sie hat vom legendären Manji gehört, sucht ihn auf und kann ihn als Bodyguard gewinnen, weil sie seiner toten Schwester ­ähnelt.

Es folgen in den fast zweieinhalb Stunden des Films viele dynamisch choreografierte Kämpfe, bei denen die Schwerter fliegen, das Blut spritzt, der eine oder andere Körperteil den Zusammenhang mit dem Rest des Körpers verliert, einmal kriecht ein sauber halbierter Mann noch ein ganzes Stück weiter. Das komische Potenzial solcher Szenen entgeht Mii­ke nicht, Ernst und Albernheit sind schlüssig tariert. Am Ende ganz große Schlacht, nochmal ein höllischer Bruegel, bei dem sich die Flüsse vom Blut der Toten rot färben. Es folgt noch ein Zweikampf der verbliebenen Helden, der Unsterbliche ist der Unsterblichkeit müde, aber als Samurai alten Schlags gibt er, solange sein Schützling ihn braucht, den Geist noch nicht auf.

„Blade of the Immortal“ beruht auf einem dreißigbändigen Manga von Hiroaki Samura, der vertraute Motive des Genres interessant variiert. In Takashi Miikes Ouevre schließt die Verfilmung an Werke wie „13 Assassins“ an, auf den Miike hier noch was draufsetzt. Nicht nur die Kämpfe, sondern auch die ruhigeren Szenen sind, manchmal sehr edel im Kerzenlicht, tadellos inszeniert, das Dynamische wie das Stillleben schön komponiert. Keine Frage, dass der Regisseur und sein Kameramann ­Nobuyasu Kita ihr Handwerk verstehen. Und auch für den Nicht-Aficionado wird es selten ermüdend, das Timing ist gut, man hat den Eindruck, alle Beteiligten hatten Spaß an dem Film.

Dass er gekonnt gemacht ist, ohne bloße Routine zu sein, ist das eigentlich Erstaunliche an „Blade of the Immortal“. Denn es ist, irgendwer hat mitgezählt, Takashi Miikes 100. Film. Macht vier Filme jährlich im Schnitt seit 1991, als er begann. Berühmt ist Miike im Westen für die blutigen Sachen, aber Komödien, Musicals, Dramen finden sich auch. In einem Interview meinte Miike, dass er sich, anders als viele andere Regisseure, beim Filmdreh entspannt. Dann auf die nächsten hundert, zwei oder drei davon sind schon fertig!

Der Unsterbliche ist der Unsterblichkeit müde, aber als Samurai alten Schlags gibt er, solange sein Schützling ihn braucht, noch nicht auf

Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab 13 Euro im Handel erhältlich.