: Rumpelstilz’ Zähmung
Michael Henke hat auf dem Betzenberg vieles bewegt, doch vor den Fußballkünsten eines Spitzenteams muss seine Elf kapitulieren. Beim 1:5 gegen Bremen zahlt der 1. FCK „bitteres Lehrgeld“
AUS KAISERSLAUTERNGÜNTER ROHRBACHER-LIST
Zum Feiern konnte den hart gesottenen FCK-Fans auf der Westtribüne nach dem 1:5 gegen Werder Bremen nun wahrlich nicht zumute sein. Doch da standen sie unverdrossen in ihrem Block und applaudierten ihrer hoffnungslos unterlegenen Mannschaft, vor allem jedoch ihrem dem Trainer des Teams, Michael Henke. Nach dem obligatorischen Händedruck mit dem Schiedsrichtergespann war Henke schnurstracks in Richtung Westtribüne geeilt und hatte sich bei denjenigen bedankt, die die vergangenen neunzig Minuten mit den Roten Teufeln gelitten hatten.
„Mir geht es vor allem darum, wie die Mannschaft sich präsentiert. Da wird auch mal verziehen, wenn man ein Spiel verliert“, hatte Henke vor der Saison immer mal wieder gesagt. Daran musste er sich nach dem Debakel gegen Werder nun messen lassen. Werder Bremen lag schon zur Halbzeit durch leicht herausgespielte Tore von Johan Micoud (31.), Miroslav Klose (44.) und Torsten Frings (45.) mit 3:0 führte, ein Umstand, der selten ist auf dem Betzenberg, sehr selten. Genau genommen war es höchste Halbzeitführung eines Gastes in Lauterer Stadion. Als es nach Kloses 4:0 in der 78. Minute und Jurica Vranjes’ Treffer in der 89. Minute bei einem Gegentreffer von Halil Altintop (84.) 5:1 stand und der 1. FCK nur knapp an der höchsten Heimschlappe seiner 42 Bundesligajahre vorbeigeschrammt war, trat Michael Henke vor die Kameras und erkannte den verdienten Sieg der „sehr guten Bremer“ an, gegen die man „bitteres Lehrgeld bezahlen musste“. Der Trainer gab zu, nicht verstanden zu haben, „warum wir so ängstlich in dieses Spiel gegangen sind, in dem wir nicht viel zu verlieren hatten“, und kündigte an, künftig werde seine Mannschaft selbstbewusster ins Spiel gehen.
Die gegen Bremen fehleranfälligen Lauterer müssen sich in dieser Beziehung nur ein Beispiel an ihrem Trainer nehmen, der auch in dieser Niederlage, bei der Extrainer Erik Gerets in tiefe Depression gefallen wäre und Kurt Jara larmoyant gejammert hätte, Größe bewahrte und den Blick nach vorne richtete.
Vier Wochen zuvor, nach dem Nerven aufreibenden 5:3-Sieg gegen den MSV Duisburg, da hatte Henke nach dem Spiel sogar den Zaun der Westtribüne erklommen, er hatte zusammen mit den Trommlern ausgelassen die Trommel geschlagen und danach bekannt: „Noch viele solcher Spiele und ich werde als Cheftrainer nicht alt.“ Doch das werden sie in Kaiserslautern trotz dieser Schlappe wohl zu verhindern wissen, denn Michael Henke, der gelernte Geografie- und Sportlehrer aus Westfalen, ist längst in der Pfalz angekommen. Henkes Vorgänger Kurt Jara hätten sie nach einem 1:5 geschmäht und vielleicht sogar vom Berg gejagt. Was macht also den Unterschied zu einem, der im schicken Anzug daher kommt und der einst als Kotrainer Ottmar Hitzfelds und früher bei Gastspielen im Fritz-Walter-Stadion nach strittigen Szenen Rumpelstilzchentänze an der Seitenlinie aufgeführt hat?
„Der nuschelt nicht“, hatte einer der Kiebitze beim ersten Training unter Henke bemerkt und die klare Ansage des Neuen begrüßt. Dabei waren viele FCK-Fans skeptisch, nachdem die Wahl ihres Vorstandsvorsitzenden René C. Jäggi auf den ewigen Kotrainer gefallen war. Zu abgehoben, ja zu intellektuell für die Pfalz sei der, und was wolle man denn nun mit einem, der noch nie als Cheftrainer gearbeitet hatte. Jäggi hatte freilich keine Bauchentscheidung getroffen und sich vorher mit seinem Freund Hitzfeld besprochen, der ihn überzeugt hatte, dem unverbrauchten Henke die Chance zu geben, sich als erster Mann zu beweisen – vorbei die Zeit der Wanderzirkusprediger.
Henke legte gleich los, bekam seinen Wunsch-Ko Manfred Rauscher, einen beurlaubten Beamten des bayrischen Landeskriminalamts, und Konditionstrainer Zvanko Komes zur Seite, der Gymnastikbälle, Deuserbänder und Koordinationsleitern auf den Betzenberg brachte und das Aufwärmprogramm der Profis geradezu revolutionierte. Und Henke gab neue Regeln vor: Alle Spieler müssen eine Dreiviertelstunde vor Beginn des Trainings in der Kabine sein, wo Handys gänzlich unerwünscht sind. Kurze Leine statt lockerer Führung, wie sie Jara bevorzugt hatte und die den Roten Teufeln wegen Disziplinlosigkeit Einzelner nicht gut bekommen war. „Es herrscht jetzt mehr Disziplin und Ordnung, Henke hat uns wieder Struktur gegeben, lässt mehr mit dem Ball arbeiten und ist ein hervorragender Taktiker“, lobt der erfahrene Ciriaco Sforza, der unter dem Kotrainer Henke bereits bei den Bayern am Ball war und der einer der schärfsten Jara-Gegner war. Nur im Spiel gegen Spitzenteams ist es noch nicht so weit her mit der taktischen Disziplin.