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berliner szenenAch mein herzliebes Jesulein

Es sollte eine geheime Geschenkübergabe werden. Ich hatte für die sieben und zehn Jahre alten Söhne von Freunden eine selbst gestickte Tischdecke dabei, die sie für einen symbolischen Wert von fünf Euro Taschengeld erwerben wollten, um sie ihren Eltern, die meine Stickkunst zu schätzen wissen, unter den Weihnachtsbaum zu legen.

Ort der Geschenkübergabe war die Marienkirche am Fuße des Fernsehturms, wo in meinem Geburtsjahr 1964 kein Geringerer als Martin Luther King gepredigt hatte und wo nun Zeno, der älteste Sohn der Freunde, zusammen mit weiteren Schülern der nahegelegenen evangelischen Schule ein szenisches Weihnachtsoratorium aufführte.

Ich erkannte den Jungen kaum wieder. Er hatte sich mit einem roten Irokesenschnitt, Lederbändern mit Nieten um Hals und Handgelenke und einem lässigen Gang in einen Punker verwandelt und geisterte mit anderen Schüler-Punks durch das Gotteshaus, während der Chor „Jauchzet, frohlocket!“ und „Ach mein herzliebes Jesulein“ sang.

Und Zeno hatte sogar eine Sprechrolle. „Willst du wie Jesus etwas verändern?“, fragte er selbstbewusst ins Mikrofon. Während als Engel verkleidete Mädchen mit Heiligenscheinen und Flügeln auf die Empore stiegen, übergab ich Zenos jüngerem Bruder Adam das Geschenk. Ich hatte die Decke ganz klein zusammengerollt und stopfte sie in eine seiner Jackentaschen, ohne dass die Eltern es merkten. Sein Bruder hatte mir vorher schon das Geld übergeben.

Als wir am späten Nachmittag die Kirche verließen, hupte und tönte es von der Liebknecht-Straße. Motorräder mit Weihnachtsmännern waren im Auftrag eines gemeinnützigen Vereins als „Christmas Biketour“ unterwegs, während Zeno das Spray aus seinem Haar friemelte und sein Bruder verschwörerisch auf die ausgebeulte Tasche seiner Jacke klopfte. Barbara Bollwahn

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