: Ein letzter Küstenstreifen
HONDURAS Miami heißt das Dorf der Garífuna am weißen Mangrovenstrand. Es soll dem touristischen Traum vom Tropenparadies in der Karibik weichen
■ Tela: Die Stadt besteht aus Häusern im Kolonialstil aus der Zeit der spanischen Besetzer. In Tela Nueva, wo die Bananenfirma unternehmerisch tätig war, befindet sich das alte Eisenbahngebäude. www.iht.hn
■ Lektüre: „Honduras & The Bay Islands“, erschienen bei Lonely Planet, ISBN 978-74104-886-5
■ Reisezeit: Die beste Zeit für einen Besuch in Honduras ist zwischen Februar und März. www.letsgohonduras.com
VON UTE MÜLLER
Der Name auf dem hölzernen, von Wind und Wetter zerfurchten Schild klingt gut: Miami. Auf den ersten Blick wirkt Miami wie ein Hippiedorf in den 70er Jahren am schönsten Strand gelegen. In dieser Comunidad Garífuna gibt es nur einfachste Holzhütten, Bananenstauden und Dschungel. „Hier gibt es weder fließendes Wasser noch Strom, doch für uns Garífuna ist das hier das Paradies“, sagt Anni, 52, die zusammen mit ihrer Tochter Loida das winzig Restaurant El Tiburón bewirtschaftet.
Für 30 Lempiras, umgerechnet 1,50 Euro pro Person, frittiert sie uns einen Fisch und Bananenscheiben in Kokosöl, dazu gibt es ein Bier der Marke „Salvavidas“ (Lebensretter). Touristen können hier für 100 Lempiras am Tag in einfachen Hütten übernachten.
Anni ist stolz auf ihre Herkunft und ihr Volk, das auf eine turbulente Geschichte zurückblickt. Im Jahr 1635 kenterten vor Saint Vincent, einer kleinen Insel in der östlichen Karibik, damals noch britische Kolonie, zwei Sklavenschiffe. Die Überlebenden, die sich an Land retten konnten, vermischten sich nach und nach mit der einheimischen Bevölkerung, den Kariben. So entstand dann das Volk der Garífuna, sie wurden die ersten freien Schwarzen von ganz Amerika. Ein Jahrhundert später deportierten die Briten zweitausend Garífuna nach Honduras, heute leben sie in allen Ländern Zentralamerikas, ihre Zahl ist auf 100.000 angewachsen. „Dabei ist es uns gelungen, unsere afrikanischen Wurzeln, unsere Kultur und Traditionen zu bewahren“, erklärt Anni selbstbewusst.
Miami liegt am äußersten Ende einer Halbinsel, die zum Naturpark Jeannette Kawas gehört, benannt nach einer amerikanischen Umweltaktivistin. Das Areal ist eines der wichtigsten Feuchtgebiete in Honduras. Auch Santos lebt hier, er ist der einzige Mestize unter rund einem Dutzend Garífunafamilien. Der Fischer ist Experte für die Mangrovenwälder der Lagune. „Wir schützen unsere Mangroven“, sagt Santos. „Doch immer mehr Wälder in Honduras werden abgeholzt, um der Shrimpszucht Platz zu machen.“
Nicht nur die Mangrovenbestände, die die Garífuna nachhaltig zu nutzen wissen, schwinden rasch. Immer wieder gibt es Streit darüber, wem der unverbaute Küstenstreifen vor der Bucht von Tela gehört. Genau an dieser Bucht sind weitere Garífunagemeinden wie Tornabé, San Juan und Triunfo de la Cruz angesiedelt, deren Bewohner das Land für sich reklamieren. Sehr zum Ärger mancher Honduraner, die hier gerne den Tourismus vorantreiben würden. „Das war einst eine illegale Landnahme, hier lebten nämlich Indianer vom Stamme der Pech, die sich nach der Ankunft der Garífuna in die Berge zurückzogen“, erklärt der Völkerkundler Salvador Echigoyen. Doch das sehen die Garífuna, deren Sprache, Tänze und Musik zum immateriellen Weltkulturerbe zählen, ganz anders. Sie zeigen Urkunden und Dokumente, die beweisen sollen, dass das Land ihnen gehört. Im April letzten Jahres forderten sie mit einer Demonstration in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa den Respekt für ihre afrikanischen Wurzeln ein und begingen feierlich den 214. Jahrestag ihrer Ankunft in Honduras.
SANTOS, DER FISCHER
In Tela selbst würde so mancher Bewohner gerne an die glorreiche Vergangenheit des Städtchens anknüpfen. Tela war einst Hauptsitz des Bananenproduzenten Tela Railroad Company. Vom Sandstrand der Stadt wurden Bananenkisten in alle Welt verladen. Heute zeugen noch ein verrosteter Pier und eine von Gestrüpp überwucherte Landepiste von jenen Tagen. Jetzt setzten viele ihre Hoffnungen auf den Tourismus. „Die Bucht von Tela bietet optimale Bedingungen, wir haben ein Korallenriff, das mit dem Great Barrier Reef in Australien vergleichbar ist“, sagt Antal Börcsok, dessen Vater aus Ungarn stammt. Tela habe ein enormes Potenzial als Taucherparadies, hier gebe es sogar die seltene Elchgeweihkoralle (Acropora palmata). Antal hat schon mal angefangen, zu investieren. Sechs Kilometer hinter Tela hat er ein kleines Hotel gebaut, doch er arbeitet auch für die Honduras Shores Plantation, die Häuser an reiche Amerikaner verkauft.
Der junge Mann, der mit einer Honduranerin verheiratet ist, träumt von einer großen Zukunft. „Die Weltbank und internationale Investoren wollen aus Tela das Tropenparadies von ganz Lateinamerika machen“, sagt er. Das Projekt namens Bahia de Tela sehe einen Golfplatz mit Blick aufs Meer, Jachthäfen, Villen und Einkaufszentren vor. Die Garífuna sollen an der Entwicklung teilhaben und Touristen mit folkloristischen Darbietungen unterhalten.
Sehr zum Leid von Teresa Reyes, Sprecherin der Garífuna in der Gegend: „Unsere Lebensgrundlagen werden vernichtet.“ Völkerkundler Salvador findet, dass die ursprüngliche Lebensweise der Garífuna auch aus einem ganz anderen Grund bedroht ist: „Viele der jungen Garífuna sind in die USA ausgewandert. Der amerikanische Traum ist es, der die Kultur dieses Volkes eines Tages zerstören wird.“