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Verlierer und Traumtänzer

Zum 50. Jubiläum der Städtepartnerschaft mitBerlin zeigt das Arsenal eine Auswahl an Filmenaus Los Angeles – auch vom Rand der Filmgeschichte

Von Andreas Hartmann

Berlin sei heute ein wenig so wie früher New York, bevor dieses einstige Gotham in den Neunzigern vom damaligen Bürgermeister Rudolph Giuliani besenrein gemacht wurde, hört man immer wieder von New Yorkern. Vergleiche Berlins mit Los Angeles werden dagegen so gut wie nie gezogen. Was bitte soll das Städtchen an der schmutzigen Spree, in dem man sich gerade ohne Wintermantel nicht einmal zum Bäcker ums Eck traut, auch gemeinsam haben mit der Metropole am Pazifischen Ozean, in der aktuell traumhafte Temperaturen bei strahlendem Sonnenschein herrschen?

Dennoch besteht seit nunmehr 50 Jahren – Gegensätze ziehen sich schließlich an – eine Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Los Angeles. Die Jubiläumsfeierlichkeiten zu dieser transatlantischen Verbindung, von denen man so viel gar nicht mitbekommen hat, gehen nun zu Ende und zu diesem Abschluss bringt das Kino Arsenal mit „A City Called Home“ nochmals eine Filmreihe.

Diese ist Produkt eines kleinen Filmaustauschprogramms zwischen dem UCLA Film & Television Archive in Los Angeles und der Deutschen Kinemathek. Im Herbst waren zehn Filme aus und über Berlin in Los Angeles zu Gast, nun werden zwei Handvoll LA-Filme im Arsenal zu sehen sein.

In die USA hatte das Berliner Filminstitut nicht die offensichtlichen Berlin-Hits geschickt, also keinen „Oh Boy“ und auch keinen „Himmel über Berlin“. Sondern Filme wie „Ostkreuz“ von Michael Klier, „Im Schatten“ von Thomas Arslan oder „Engel aus Eisen“ von Thomas Brasch. Also auch die bei uns eher unbekannteren Berlin-Filme aus der zweiten oder dritten Reihe. Umgekehrt haben nun auch die Amerikaner Filme ausgesucht, unter denen ein paar echte Spezialitäten vom Rand der Filmgeschichte sind. Gut, auch „The Big Lewbowski“ von den Coen-Brüdern wird gezeigt werden und „Short Cuts“ von Robert Altman, bekannte Filmklassiker, die die kalifornische Mega-Stadt als Kulisse haben, aber auch Independent-Perlen wie „Killer of Sheep“ von Charles Burnett oder „Repo Man“ von Alex Cox, in dem man noch einmal den großen, vor Kurzem verstorbenen Harry Dean Stanton in einer Hauptrolle erleben kann.

So wie bei der Auswahl der Berlin-Filme Wert darauf gelegt wurde, in zehn Kapiteln ein möglichst facettenreiches und gleichzeitig ungeschminktes Bild einer Stadt im Wandel samt ihrer Umbrüche und ihrer wechselhaften Nachkriegs- sowie Kalter-Krieg-Geschichte zu zeigen, begibt sich auch das Filmpotpourri aus den USA weitab der ausgetreten Pfade der Hollywood-Traumfabrik. Los Angeles erscheint in den ausgesuchten Filmen als Stadt der Verlierer und Traumtänzer, als Ort der Verheißung, der gleichzeitig ein Dschungel ist, bei dem man höllisch aufpassen muss, dass man nicht in ihm umkommt. Die Stadt, die man seine Heimat nennt, wovon die Filmreihe handelt, ist auch ein Ort urbaner Paranoia und des Schreckens, wie man besonders schön in „Repo Man“ aus dem Jahr 1984 sehen kann und in „Private Property“ von Leslie Stevens von 1960.

„Private Property“ wird auch nicht umsonst der Eröffnungsfilm der Filmreihe sein. Das UCLA in Los Angeles will damit schließlich auch einen Teil seiner Arbeit demonstrieren. Der Film, der damals in gerade mal zehn Drehtagen für 60.000 Dollar in grobkörnigem Schwarz-Weiß gedreht wurde, gilt als Pioniertat des amerikanischen Independent-Kinos und war dennoch jahrelang so gut wie verschollen. Bis das UCLA ihn letztes Jahr restaurierte, um ihn nun von aller Welt als besondere Ausgrabung bestaunen zu lassen. Und „Private Property“ ist tatsächlich ein sagenhaft schmutziger Film Noir, in dem zwei nichtsnutzige Kleinganoven eines Tages ein leer stehendes Häuschen in den Hollywood Hills okkupieren und einer reichen und sexuell ganz offensichtlich ziemlich frustrierten Dame aus der Nachbarschaft perfide und nach allen Regeln der Kunst nachstellen. Das Werk, dessen rohe Direkt- und Unmittelbarkeit heute immer noch atemberaubend wirkt, war damals ein echter Skandal, Vergewaltigung und Andeutungen von Homoerotik vor allem waren für die Kirche viel zu viel.

Die männliche Vorstellung der sexuellen Verfügbarkeit der Frau und die Frage, ob nur ein Ja wirklich Ja bedeutet, all diese Dinge, die aktuell mal wieder rauf und runter diskutiert werden, in Los Angeles genauso wie in Berlin, spielen mit hinein in diesen Film, der alles andere als veraltet wirkt. Die Frage jedoch, ob man Häuser besetzen lassen soll, wie sie sich auch im Berlin von heute noch stellt, wird jedoch freilich ziemlich konservativ beantwortet: Lieber nicht.

A City Called Home: 7.–14. 12., Kino Arsenal

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