portrait : Diplomatie-Talent mit spitzen Ellbogen
Vom Arbeitersohn zum Präsidenten – eine sozialdemokratische Musterkarriere hat Jan Eliasson zurückgelegt. Seine Kindheit erlebte er in einer Einzimmerwohnung in einem Arbeiterviertel Göteborgs, der Vater malochte in der Kugellagerfabrik. Jan war der Erste der Eliassons, der ein Gymnasium von innen zu Gesicht bekam. Mit Eröffnung der 60. Session der UN-Vollversammlung (14.–16. September) soll der Schwede nun den Präsidentenposten vom Gabuner Jean Ping übernehmen. „Komplexe hatte ich wegen meiner Herkunft aber nie. Im Gegenteil war diese Erfahrung ein unschätzbarer Vorteil für meinen Beruf“, so der 64-jährige Diplomat.
Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften schlug Eliasson 1965 die Diplomatenlaufbahn ein. Anfang der 70er-Jahre arbeitete er in der Botschaft in Washington – zu der Zeit, als die Beziehungen der USA zu Schweden tiefgefroren waren. Der damalige Ministerpräsident Olof Palme marschierte nicht nur in der ersten Reihe von Antivietnamkriegs-Demos mit, er verglich auch die Bombardierung Hanois mit Nazi-Kriegsverbrechen. Durch Rapporte des Jungdiplomaten über die Stimmung in Washington lernte Palme Eliasson persönlich kennen – und offenbar schätzen. Als der schwedische Ministerpräsident 1980 den UN-Auftrag für eine Vermittlung im Irak-Iran-Konflikt erhielt, machte er Eliasson zu seinem engsten Mitarbeiter. Nach dem Tod Palmes wurde unter Eliassons Regie das Vermittlungspaket geschnürt, das dann zum Waffenstillstand führte.
Dadurch öffneten sich für Eliasson – den MitarbeiterInnen als diplomatische Naturbegabung nicht genug loben können, während KonkurrentInnen seine spitzen Ellbogen fürchten – die Türen für eine steile Karriere. 1988 schwedischer UN-Botschafter, 1992 UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Hilfe, in den letzten fünf Jahren Schwedens Botschafter in Washington. Ist eine schwedische Adresse bei der US-Regierung sonst kein Grund, mit offenen Armen empfangen zu werden, scheint Eliasson als Ausnahme zu gelten. Zur Feier des 50. Geburtstags von US-Außenministerin Condoleezza Rice war der Mann mit der großen Lupensammlung als einer der wenigen Diplomaten geladen. Und seine Kandidatur für den jetzigen Präsidentenposten wurde von Washington abgesegnet.
Jetzt hofft Eliasson, in den nächsten zwölf Monaten auch etwas bewegen zu können. Vor allem, was die Passivität der Vereinten Nationen bei Menschenrechtsverletzungen angeht: „Alle Staaten haben die Verantwortung, ihre Bevölkerung zu schützen. Werden sie dieser nicht gerecht, muss die internationale Gemeinschaft eingreifen.“ REINHARD WOLFF