berliner szenen: Das freut Hund und Männer
Am S-Bahnhof Jannowitzbrücke spricht ein Mann meinen Hund Chibi an. „Du bist ja ein Süßer! Kann ich dich wohl mitnehmen?“ Der Mann ist schon etwas älter und trägt eine Discounter-Plastiktüte in der Hand. Chibi wedelt ihn fröhlich an, und der Mann geht in die Hocke und streichelt ihn liebevoll.
Er steht wieder auf, guckt mich an und sagt: „Onkel hatte auch so einen kleinen Hund. Die sind immer die Süßesten. Mutti ist vergangenen Sonnabend gestorben. Wenn ich jetzt so dasitze und fernsehe, gucke ich immer nach links rüber und denke, da sitzt sie noch!“
Oh je. Ich antworte: „Das ist aber traurig … Tut mir leid.“ Er streichelt erneut Chibi. Ich will ihn irgendwie aufmuntern und sage: „Sie könnten sich doch auch einen Hund anschaffen, oder?“ Er steht wieder auf, strahlt mich an: „Ja klar! Ich nehme den hier.“ Er zeigt auf Chibi. Äh … hahaha… nee. Bitte nicht.
Ich wünsche ihm einen schönen Tag und gute Nerven, er bedankt sich und geht den Bahnsteig weiter.
Keine 20 Sekunden später kommt ein junger, gutaussehender Mann auf mich zu. Er fragt: „Der ist ja süß, darf ich den mal streicheln?“ Erst denke ich, er will mich veräppeln. Aber gut, ich sage: „Ja klar“, denn das freut den Hund und anscheinend auch die Männer.
Der Mann hockt sich hin und zieht sich langsam schwarze Lederhandschuhe an. Das finde ich komisch. Chibis Fell ist ganz sauber und weich. Plötzlich bekomme ich Angst und denke, dass er vielleicht einen kleinen Hund töten will – einfach mal ausprobieren, wie so was ist. Was schwarze Lederhandschuhe für Assoziationen auslösen können.
Als er sie übergestreift hat, beginnt er, Chibi fachmännisch zu streicheln. Es sieht aus wie eine Hundemassage und gefällt dem kleinen Wauz. Nach wenigen Minuten bedankt sich der Mann und geht weiter. Nicola Schwarzmaier
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