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Kolumne NachbarnFamilien zusammenführen? Ach was!

Kefah Ali Deeb
Kolumne
von Kefah Ali Deeb

Zwei Jahre lange wartet ein Syrer schon auf seine Familie. Und während er langsam verzweifelt, wird ihre Lage in Syrien immer gefährlicher.

Ein Kind spielt am 19.07.2017 in Ain Issa, Syrien, in einem Flüchtlingslager Foto: dpa

Z wei Jahre sind vergangen – so lange wartet er schon auf die Ankunft seiner Familie. Vor wenigen Monaten wirkte er recht zuversichtlich. Denn endlich hatten seine Frau und seine Kinder bei der deutschen Botschaft in Beirut einen Termin zum Gespräch über eine mögliche Familienzusammenführung bekommen.

Er war überglücklich und strahlte, als er mir auf dem Handy die Fotos seiner Familie zeigte: Sohn und Tochter, hübsch gekleidet, zusammen mit der Mutter auf dem Weg zur deutschen Botschaft. An jenem Tag kamen von ihr zig Fotos und Textnachrichten.

Jedes Mal, wenn er die Fotos mit zittriger Stimme kommentieren oder eine Textnachricht vorlesen wollte, kämpfte er mit den Tränen. Immer wieder sagte er: „Wie schnell sind die Kinder gewachsen! So lange bin ich schon weg! Ich würde sie jetzt so gern in die Arme nehmen.“

Wenige Wochen später sagte er mir mit gebrochener Stimme, dass der Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt worden sei. Ich eilte zu ihm und fand ein Häufchen Elend vor. Er verfluchte den Krieg, das Regime, Menschenrechtsorganisationen und Zivilgesellschaft. Er verdammte alle Länder, die sein Land mit zerstörten. Zum Schluss sagte er, er werde nach Syrien zurückkehren; das Gefängnis sei für ihn leichter als dieser Zustand hier.

Immer mehr Papiere

Dank der Intervention einiger Freunde gelang es uns, ihn von einer Rückkehr nach Syrien abzubringen. Diese wäre gewiss weder im Sinne seiner Familie noch in seinem Interesse gewesen. Er beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit, zeigte Geduld.

Doch sein leichter Optimismus sollte nicht von langer Dauer sein. Wenige Tage später versuchten Unbekannte, seine Frau zu entführen; sie entkam wie durch ein Wunder. Der Anwalt bemühte sich vergeblich; die Behörden verlangten noch mehr Papiere und schließlich wurde die Familienzusammenführung auf Eis gelegt.

In das Leben meines Freundes kehrte die Resignation zurück. Obendrein – während die Abgeordneten des Deutschen Bundestags über den Sinn der Familienzusammenführung stritten – wurden der Schwiegervater und weitere zwei Familienmitglieder meines Freundes Opfer eines erneuten Entführungsversuchs. Dabei kamen zwei Männer ums Leben und eine schwangere Frau liegt seitdem schwer verletzt im Krankenhaus. Die Bundesregierung ist von der Notwendigkeit der Familienzusammenführung weiterhin nicht ausreichend überzeugt.

Diese Geschichte ist nur eine von vielen der inzwischen siebenjährigen syrischen Tragödie. Die Weltgemeinschaft und die Parlamente schauen zu und nutzen das tragische Schicksal der Menschen nach wie vor für innen- und außenpolitische Zwecke aus. In der Presse reden sie über Menschenrechte, internationales Recht und die humanistischen Werte, die der Westen „erfunden“ hat.

Aus dem Arabischen Mustafa Al-Slaiman

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Kefah Ali Deeb
Kefah Ali Deeb wurde 1982 in Latakia, Syrien, geboren und ist 2014 nach Berlin geflohen. Sie ist bildende Künstlerin, Aktivistin und Kinderbuchautorin, außerdem Mitglied des National Coordination Committee for Democratic Change in Syrien.  
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3 Kommentare

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  • Der Artikel 10, Absatz 1 zur Familienzusammenführung in der Kinderrechtskonvention der UNO lautet:

     

    Entsprechend der Verpflichtung der Vertragsstaaten nach Artikel 9 Absatz 1 werden von einem Kind oder seinen Eltern zwecks Familienzusammenführung gestellte Anträge auf Einreise in einen Vertragsstaat oder Ausreise aus einem Vertragsstaat von den Vertragsstaaten wohlwollend, human und beschleunigt bearbeitet. Die Vertragsstaaten stellen ferner sicher, dass die Stellung eines solchen Antrags keine nachteiligen Folgen für die Antragsteller und deren Familienangehörige hat.

    https://www.unicef.de/blob/9364/a1bbed70474053cc61d1c64d4f82d604/d0006-kinderkonvention-pdf-data.pdf

  • Ich frage mich ernsthaft, wann ich wohl den ersten Text von einem Syrer lesen werde, in dem nicht ausschließlich das Leid von Syrern bzw. das Leid von syrischen Freunden und Verwandten der Verfasser beklagt wird, sondern das Leid aller Menschen, die vor staatlicher Gewalt flüchten müssen.

     

    Vielleicht ist ja ein eklatanter Mangel an Solidarität, vielleicht ist das Streben danach, unbedingt Opfer erster Ordnung und wichtiger als alle anderen zu sein, das größte aller Übel, die Diktatoren wie Assad zu verantworten haben. Menschen wie Assad machen mündige, solidarische Erwachsene zu hilflosen, egozentrischen Kleinkindern.

  • Was sollen wir tun? Viele Menschen in Deutschland würden auf materiellen Wohlstand verzichten, wenn dadurch Frieden auf Erden geschaffen würde. Aber egal was wir normalen Menschen hier tun, irgendwo ist wieder jemand gierig, unvernünftig, zerstört alles. Die Erde ist von zu vielen Menschen bevölkert, die auf der Suche nach ihrem kleinen Glück alles immer schlimmer machen. Ich plädiere für zwei Maßnahmen: Verbot aller Waffen und strikte Bevölkerungskontrolle. Viele Probleme werden sich in Luft auflösen.