Halt dich an deiner Liebe fest

Jamila Woods einziges Konzert in Deutschland im Kölner Gebäude 9

Von Lars Fleischmann

Das Gebäude 9 in Köln-Mülheim, das ehemals Teil der Klöckner-Humboldt-Deutz-Werke war, ist von jeher ein politischer Ort. Entstanden um allerhand alternativen kulturellen Szenen ein Zuhause zu bieten, machte man sich einen Namen als Konzertort, der bis heute undogmatisch programmiert. Punk trifft HipHop und Indie – Hauptsache die Haltung stimmt. Bundesweite Bekanntheit erreichte die Location vor drei Jahren als man drohte von einem Investoren-Neubau-Projekt verdrängt zu werden. Damals zahlte sich aus, dass man selbst immer Haltung bewahrt hatte. Überall (national und international) formierte sich Protest; Künstler*innen wurden laut. Man fand eine Lösung. Gerade deswegen behält man die Linie aus Überzeugung bei.

Um Haltung, Protest und Politik ging es auch letzten Freitag, als die junge Chicagoerin Jamila Woods sich für ihr erstes und einziges Deutschlandkonzert angemeldet hatte. Derweil nicht berühmt für sein R-’n’-B-Programm, bot der Club der Sängerin eine passende Heimstatt. Interessanterweise spielte sie jedoch nur im Vorprogramm des neuseeländischen Soul-Poppers Jordan Rakei. Wenn man US-amerikanische Indie-Medien im letzten Jahr verfolgt hatte, so war das eine Überraschung. Immerhin war Woods dort recht präsent vertreten. Das Publikumsaufkommen gab den Veranstaltern dennoch Recht. Der Großteil war für Rakei gekommen, einem beträchtlichen Teil des Publikums schien die 27-jährige Musikerin und Poetin aber etwas zu sagen; nicht wenige waren für sie gekommen.

Unprätentiös im roten Top und Jeans betrat sie die Bühne; dazu gesellte sich eine vierköpfige Band. Ohne Backdrop oder Visuals stand Woods ganz natürlich in der Mitte der Bühne und performte ihre sieben Stücke. Wer wollte, konnte sich an der Haarpracht Woods und ihrer Keyboarderin begeistern. Zweitere trug einen, lose durch eine Mütze gebändigten, Afro, die Sängerin begeisterte durch ellenlange Braids, derer etwa 40 vom Kopf runterhingen. „Don’t touch my hair“, textete die R-’n’-B-Künstlerin Solange Knowles und thematisierte damit die Diskussion um afroamerikanische Frauenhaare. In Deutschland eher wenig bekannt, sind natürlich getragene, krause oder schwarze Haare diskursiver Kampfplatz. Man schweigt nicht mehr, sondern protestiert: gegen Fremdbestimmung, und Unterdrückung auf Grund von Geschlecht und Hautfarbe. Solange, aber auch die Rapperinnen Kelela und Abra, und natürlich Jamila Woods wehren sich dagegen und werden immer mehr gehört.

Woods Protest selbst zeichnet sich besonders durch seine Poesie und Empowerment aus – und durch das Beharken des weiten Felds der Liebe. Doch weniger Romantik, sondern mehr Liebe zu sich selbst propagiert sie auf ihrer Platte wie auf der Bühne. Und das gleich von Start weg. Mit „Heavn“, dem Titelstück, baut sie eine ganz eigene Stimmung zwischen Intimität und klarer Reflexion der politischen Situation auf. Diesen schmalen Grat spaziert sie auch den Rest des Konzerts entlang. Das nur knapp 25 Minuten andauernde Set bricht sie in der Mitte ab. Der Rest der Bühne wird nicht mehr vom Licht berührt, allein mit einem Spot beleuchtet, beginnt Woods ein Gedicht, das sich im weiteren Verlauf in ihren Song „Holy“ entwickelt. Hier ist sie nicht „lonely“ sondern „alone“, sie braucht keine religiöse Erzählung – geschrieben von weißen Männern –, Woods ist „holy by [her] own“. Die Message auch an diesem Abend bleibt konkret auf die Lage afroamerikanischer Frauen bezogen, aber ist auch universeller Natur: Liebe dich selbst. Jamila Woods vermittelt dies ganz locker, stark und stolz. Stolz trägt sie ihre Haare. Was bald schon auf weiteren deutschen Bühnen zu sehen sein wird.