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Archiv-Artikel

Umweltschützer warnen vor Kirchhof

Noch hat niemand die Streichliste des Heidelberger Professors gesehen. Doch die Deutsche Umwelthilfe hat sie anhand bisheriger Aussagen rekonstruiert. Das Fazit: Unter einem Finanzminister Kirchhof droht ein ökologischer Kahlschlag

AUS BERLIN NICK REIMER

Was bedeutet Paul Kirchhofs Subventions-Streichliste für die Umwelt? Die CDU behauptet zwar, dass der Finanzexperte in Angela Merkels Wahlkampfteam gar keine Liste mit zu streichenden Subventionen erstellt hat. „Im Kopf hat Kirchhof sie aber auf jeden Fall“, erklärte gestern Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Und diese Liste lasse sich „ganz leicht rekonstruieren“. Und zwar aus seinen Büchern und bisherigen Äußerungen. Das Ergebnis: „Der Staat verabschiedet sich unter einem Finanzminister Paul Kirchhof aus der Umweltpolitik“, so Resch.

Dass ein Umweltverband kurz vor der Wahl mit derart drastische Szenarien aufwartet, erscheint nur logisch. Hat er aber damit auch Recht? „Es gibt gute Subventionen und schlechte Subventionen“, sagt Gerd Rosenkranz, bei der Deutschen Umwelthilfe für den Bereich Politik zuständig. „Kohlesubvention oder Marktanreizprogramme für erneuerbare Energien – was gute, was schlechte Subventionen sind, darüber wird gestritten. Und diesen Streit nennt man Politik.“ Kirchhof aber wolle alle Subventionen abschaffen. „Der Staat erhebt den Anspruch, zu steuern. Das kann er aber nur durch Subventionen und Steuern“, so Rosenkranz.

Im Umkehrschluss bedeuten die Vision des Paul Kirchhoff aber einen Ausstieg aus der Umweltpolitik. Ein Beispiel: Autoabgase. Durchgesetzt hat sich der Katalysator nur dank seiner steuerlichen Förderung. „Dadurch sind der deutschen Autoindustrie schwere Verluste erspart geblieben“, so Rosenkranz. Ohne den steuerlichen Anreiz Mitte der 90er-Jahre nämlich, hätte es keine Nachfrage und damit kein Zwang für die Industrie gegeben. Rosenkranz: „Man sieht das jetzt beim Dieselruß-Filter: Weil es keinen Zwang gab, haben die deutschen Autobauer die Entwicklung verschlafen.“ Die Folgen machen gegenwärtig Schlagzeilen: Zehntausenden Mitarbeitern drohe wegen Managementfehlern die Kündigung. „Kirchhofs so genannte Steuergerechtigkeit ist in Wahrheit nichts anderes als Unwissenheit gepaart mit missionarischem Eifer“, so Resch.

Im Einzelnen: Die Ökosteuer steht auf Kirchhofs Streichliste – zuerst teilweise, dann ganz. Die Kfz-Steuer soll ebenso wegfallen wie die Stromsteuer. Zweitens müssten umweltrelevante Subventionen dran glauben: etwa das Gebäudesanierungsprogramm zur Kohlendioxid-Minderung oder Marktanreizprogramme für Grüne Energie. Drittens will Kirchhof Steuervergünstigungen streichen: Den ermäßigten Umsatzsteuersatz für die Bahn, die Befreiung der Biokraftstoffe von der Mineralölsteuer oder die Steuerfreiheit für Jobtickets. Viertens schließlich soll das Gesetz zur Erneuerbaren Energie und die Förderung des Ökolandbaus vom Tisch.

Resch, der Kirchhof einen „Umwelt-Desperado“ nennt, warnt Angela Merkel: „Wenn das Denken von Paul Kirchhof Einfluss am Kabinettstisch gewinnt, führt das zu einem Kahlschlag der Umweltpolitik.“

www.duh.de