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Archiv-Artikel

Bunt gemischt

Die Möglichkeit einer Halbinsel: Das Label Galileo MC bringt spanische Musik nach Deutschland: Von galizischen Folk über Elektro-Tango-Fusionen bis zu HipHop

VON DANIEL BAX

„Und sie bewegt sich doch“, lautet der berühmte Satz von Galileo Galilei, mit dem er der Legende nach an seinen Überzeugungen fest gehalten haben soll. Mit seinem Fernrohr hatte er die Beschaffenheit des Monds erforscht, neue Planeten entdeckt und nachgewiesen, dass die Erde eine Kugel ist. Der italienische Wissenschaftler der Renaissance-Zeit ist der Namenspatron eines kleinen Labels, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem deutschen Musikhörer neue Horizonte zu eröffnen. Galileo Music Connection, so der volle Name der Plattenfirma, bringt aktuelle Musik aus Spanien nach Deutschland.

Hinter Galileo MC stehen zwei Deutsche, Daniel Dinkel und Florian von Hoyer. Vor drei Jahren gründeten sie das Label, dessen Entstehung sich glücklichen Zufällen, musikalischem Enthusiasmus und unternehmerischem Gespür verdankt. Die Geschichte beginnt in Madrid, wohin es Daniel Dinkel nach seinem Musikwissenschaftsstudium zog. Auf Jobsuche schaute er sich in der Musikbranche um, und heuerte bald bei dem traditionsreichen Label Sonifolk an. Das Label hatte sich in den Siebzigern mit regionaler Folklore einen Namen gemacht, was auch eine Form der Opposition gegen die Uniformität und den Zentralismus des Franco-Regimes war. Firmengründer Pedro Vaquero war allerdings 1997 gestorben, zuletzt hatte seine Witwe die Geschäfte weitergeführt. Als sie sah, dass Dinkel seine Sache gut machte, legte sie die Geschicke der Firma in seine Hände. So holte Dinkel seinen Jugendfreund Florian von Hoyer nach Madrid. Heute führt dieser die Geschäfte in Spanien, Dinkel organisiert in Deutschland den Vertrieb.

Repräsentativ für das Label-Profil von Galileo MC ist die Musikerin Mercedes Péon, die mit ihrem geschorenen Haupt an Sinead O’Connor erinnert. Die 28-Jährige spielt die Gaita, den spanischen Dudelsack, und traditionelle Percussion-Instrumente wie die Pendeireta, ein galizisches Tambourin. Von Kindesbeinen an fasziniert von der galizischen Folklore, die bis dahin in mündlicher Überlieferung tradiert wurde, unternahm Péon schon als Jugendliche in den Achtzigerjahren auf eigene Faust erste Feldforschungen, um diesen Schatz schriftlich und auf Tonbändern fest zu halten. Dieses Archiv bildet bis heute die Grundlage für ihre Arbeit als Musikerin und Musikethnologin; auch für ihr von der Kritik gefeiertes Album „Isué“, das vor drei Jahren erschien, ließ sie sich von diesen Aufnahmen inspirieren.

Stolz ist man bei Galileo aber auch, das Elektroprojekt Tango Crash unter Vertrag zu haben. Tango Crash besteht aus dem Cellisten Martin Iannaccone und dem Pianisten Daniel Almada, die sich schon seit den Achtzigern aus Buenos Aires kennen. Almada lebt seit 1990 in Basel, Martin Iannaccone zog es im März 2001 nach Berlin. Schon lange bevor das Gotan Project damit so durchschlagenden Erfolg hatte, kombinierte das Duo Percussion-Sequenzen, programmierte Bässe und Sounds mit berühmten Tangomelodien.

Zu den Galileo-Bestsellern zählt auch die Band L’Ham de Foc aus Valencia an der südspanischen Küste. Gegründet durch den Gitarristen Efrén López und die Sängerin Mara Aranda, zeichnet sich die Band durch ihr Faible für die mittelalterliche Musik aus sowie ihre Vorliebe für Musiktraditionen aus aller Welt. Vom musikalischen Erbe ihrer Region, die seit jeher von vielen Kulturen geprägt wurde, schlagen sie Verbindungen zu griechischen, indischen oder nordafrikanischen Traditionen, und mit einem Sammelsurium exotischer Instrumente kreieren sie eine Art imaginäre Folklore. Ihre investigative Arbeit ist berüchtigt – für ihre zweite CD „Cançó de Dona i Home“ etwa verbrachten sie sechs Monate in Griechenland, um sich mit dortigen Musikern zu treffen und neue Instrumente zu erlernen.

Die neue Folkbewegung, die traditionelle Musik in Spanien durch Anleihen bei Rock, Pop und elektronischer Musik erst wieder populär gemacht hat, bildet den Schwerpunkt bei Galileo MC. Mit Sonifolk, Resistencia und WorldMuxxic haben sie drei der wichtigsten Labels aus diesem Bereich in ihrem Vertrieb, gleichzeitig führen sie mit dem Label Boa-Music aber auch HipHop aus Spanien im Programm.

Auf dem Sampler „Explicit Lyrics from España“ ist eine Auswahl der Acts versammelt, die hierzulande bei Galileo erschienen sind, und die sich wie ein Who is Who der spanischen HipHop-Szene liest. Da sind Pioniere wie Solo los Solo, Frank T und El Meswy zu finden, aber auch Stars der Szene wie das Quartett Doble V oder Künstler wie Chulito Camacho oder La Puta Opepe, die sich näher am Dancehall bewegen. Merken sollte man sich aber auch Namen wie Yamal, der seine Beats mit arabischen Einflüssen anreichert, oder El Payo Malo, der Verbindungen zum Flamenco zieht.