wochenschnack: Von Ärzten, Männer- und Frauensachen
Was es so gibt: smarte, empathielose Jungärzte, Männer, die Gleichstellungsbeauftragte werden möchten, Protest von Politiker Diether Dehm und von einer „NYT“-Leserin
Das schadet uns
betr. „Zu Besuch bei Dr. Robot“,taz vom 11. 10. 17
Autistische Verhaltensweisen haben nichts mit Empathielosigkeit zu tun, ebenso wenig wie Autismus, Autistinnen und Autisten. Mit der Veröffentlichung von Artikeln, in denen dies angedeutet, behauptet etc. wird, schaden Sie uns Betroffenen. Die Wahrnehmung von AutistInnen ist aufgrund der Unsichtbarkeit von Autismus ohnehin für beide Seiten schwierig. Name ist der Redaktion bekannt
Jung und unerfahren
betr. „Zu Besuch bei Dr. Robot“, taz vom 11. 10. 17
Die Beobachtung des Autors und seines befreundeten Arztes kann ich nachvollziehen; doch die Analyse des Problems scheint mir zu kurz gegriffen. Mal abgesehen davon, dass ein junger Arzt, der viel weiß, aber nicht angemessen mit Patienten kommunizieren kann, gar nichts Brillantes an sich hat, liegt das Problem doch nicht hauptsächlich im Auswahlverfahren.
Selbstverständlich ist die Auswahl der Medizinstudierenden verbesserungswürdig und eine Änderung der Auswahlkriterien könnte für besseren medizinischen Nachwuchs und auch mehr Gerechtigkeit bei der Studienplatzvergabe sorgen. Doch wie kann es sein, dass junge, noch formbare Menschen nach sechs Jahren Studium in Sachen Menschlichkeit, Empathie und Patientenführung nicht ausreichend ausgebildet sind? Wie kann es sein, dass Berufsanfänger nicht wissen, wie sie eine ordentliche Schmerztherapie bei einem geplagten Patienten durchführen? Hier zeigen sich vielmehr die Mängel in der Ausbildung in von den Bundesländern finanzierten Universitäten mit einer Ausbildungsordnung, die vom Deutschen Bundestag beschlossen wird. Die Medizinischen Fakultäten versagen bei der Vermittlung von „Soft Skills“ oder von beschwerdeorientierter Behandlung. Dabei unterliegen sie der irrigen Annahme, dass es ausreicht, die Besten der Besten mit reinem Faktenwissen zu guten Ärzten ausbilden zu können. Solange unsere gewählten Vertreter keine Änderung an der Ausbildung vornehmen, bekommen wir die Ärzte, die wir verdienen. Jung, unerfahren und schlecht ausgebildet. Geben Sie sich bitte nicht der Illusion hin, dass der medizinische Nachwuchs mit dem Älterwerden das Versäumte dann noch selbst nachholt. Matthias Ott, Lorch
Bittschön ein Mann
betr. „Nicht nur Frauensache“, taz vom 11. 10. 17
Sie schreiben: „Wenn es in einem Landkreis gar keine eigene Stelle für eine Gleichstellungsarbeit gibt, sondern nur ein Deputat von ein paar Wochenstunden, ist es völlig in Ordnung, wenn das eine Frau macht. Anders aber ist die Situation in Großstädten oder Bundesverwaltungen. Dort gibt es keinen ersichtlichen Grund, warum in den vergleichsweise großzügig ausgestatteten Abteilungen nicht auch Männer arbeiten können.“ Das muss man/frau sich auf der Zunge zergehen lassen! Genau: Solange es um einen Minijob geht, in dem frau viel mehr Stunden noch zusätzlich arbeitet, als sie bezahlt bekommt, weil einfach so viel Arbeit da ist, dann darf es natürlich eine Frau machen. Bei „vergleichsweise großzügig ausgestatteten Abteilungen“ gehört aber bittschön ein Mann dort hinein, weil frau kann mit so einer Ausstattung gar nicht umgehen. Und warum sollte sie auch eine unbefristete, gutdotierte Stelle ausfüllen?
Herr Gesterkamp, ich habe mir wirklich viel Mühe gegeben, Ihren Text ironisch zu lesen, doch es wollte nicht gelingen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Sicher kann es eine Bereicherung sein, wenn auch Männer in einer Gleichstellungsstelle arbeiten, aber Ihrer Argumentation kann ich dennoch nicht folgen. Wie viele Stellen werden nicht von Frauen besetzt, nicht weil es gesetzlich so geschrieben steht, sondern weil es zum Beispiel aufgrund fehlender Frauenklos „nicht möglich“ ist, wie bei Ingenieurinnen auf dem Bau? Und wer beschwert sich da? Hier bei den Gleichstellungsstellen gibt es eine gesetzliche Regelung. Die ist transparent und angreifbar. Wenn all die intransparenten Regelungen, die verhindern, dass Frauen gute (also vergleichsweise mächtige und gut bezahlte) Posten innehaben dürfen, abgeschafft sind, dann können wir darüber reden, auch diese transparente abzuschaffen. Bernadette Drescher, Köln
Wie weiches Wasser
betr. „Das System Diether Dehm“, taz vom 11. 10. 17
Lange vor meiner Zeit als MdB hatten Medienvertreter und Politiker fest vereinbart, dass direkte und indirekte Zitate vorher zur Autorisierung vorgelegt werden. Das hat mit schlechten Erfahrungen beiderseits und Seriosität zu tun – auch beim feindseligen Umgang. Und das weiß auch Anna Lehmann. Denn sie hatte mir einen Teil der Zitate auch vorher zugesandt. Aber folgende mir in den Mund gelegten Zitate fehlten dabei: „Der Blick“, murmelt er, „da gefriert’s mir.“Gemeint war wohl Katja Kippings Blick auf einem Wahlplakat. Derart nichtautorisiert ist auch das Zitat aus dem Speisewagen: „Lassen Sie mal“, sagt Dehm, „ich übernehme das.“ Und als das abgelehnt wird: „,Das war wohl der Versuch, eine Journalistin zu bestechen.‘ Wir lachen.“ Da Frau Lehmanns entpolitisierender Artikel darauf basiert, dass Dehm „gerne Gefälligkeiten verteile“, wäre auch von Belang gewesen, dass es sich bei der Koketterie um die Rechnungsbegleichung für gerade mal zwei Getränke handelte. Außerdem hätte Frau Lehmann mich durchaus zumindest nach dem mir von Jutta Ditfurth in den Mund gelegten Falschzitat befragen können: „,Jutta, weißt du, was ich jetzt mache? Ich fahre jetzt in die Niederlande und hole mir einen Exklusivvertrag mit den Bots.‘ Typisch Dehm […].“ Auch hätte Frau Lehmann mir vorher mitteilen müssen, dass sie (falsch-)behaupten möchte, ich hätte ihr gegenüber neun Prominentennamen „während der eineinhalbstündigen Zugfahrt fallen“ lassen. Der Versuch, Die Linke.Niedersachsen als eine Partei, „fest im Griff“ (m)einer Person, also undemokratisch, darzustellen, und dies 96 Stunden vor Öffnung der dortigen Wahllokale, ist so grün wie durchsichtig. Wortkraft und Präzision offenbart Frau Lehmann in ihrer Metapher: „In Niedersachsen hatte er (Dehm) sich wie weiches Wasser in den Stein gegraben“. Hmm. Diether Dehm, Berlin
Piggishness and Vice
betr. „Namen zu löschen, ist die falsche Antwort Hollywoods auf sexuelle Belästigung“, taz vom 11. 10. 17
Als taz- und NYT-Leserin bin ich schockiert, wie irreführend Johanna Roth den NYT-Artikel von Ross Douthat darstellt.
In seinem Artikel geht es ihm um ein missbräuchliches (Aus-)Nutzen liberaler gesellschaftlicher Haltungen seitens Männern wie Harvey Weinstein, Woody Allen, Bill Clinton, Hugh Hefner und Ted Kennedy, die Douthat als „creep(s)“ und „ogres“ bezeichnet.
Diese sich liberal gebenden Männer nutz(t)en unter dem Deckmantel der Liberalität ihre gesellschaftliche, politische und/oder wirtschaftliche Stellung im liberalen Establishment der USA dazu aus, ihr „schweinisches Verhalten“ und ihre „Lasterhaftigkeit“ (piggishness and vice) zu verbergen. Douthat bezeichnet ein solches Verhalten als „Hefnerism“, ein Verhalten, das gleichzeitig progressiv und chauvinistisch, für (sexuelle) Befreiung sich einsetzend und (sexuell) ausbeuterisch sei. Ein Machtgefälle in gewissen Kreisen (wie in der Hollywoodindustrie) begünstige seit jeher ein Ausleben solcher Haltung und sei verantwortlich für die „offenen Geheimnisse“ solcher Männer, weshalb der Feminismus in den USA bislang nichts daran habe ändern können. Douthat steht also mitnichten dem Liberalismus an sich in den USA kritisch gegenüber. Im Übrigen ist in Deutschland eine ähnliche Problematik zu beklagen: Unter dem Deckmantel der sexuellen Revolution und der Selbstbestimmung des Individuums haben pädophile Kreise und Individuen vor nicht allzu ferner Zeit ihre sexuellen Interessen ziemlich erfolgreich in die Pädagogik und in die Politik getragen, mit dem bekannten Ausgang einer für die Opfer mühsamen und schmerzvollen Aufarbeitung. Hannelore Habicht, Adelheidsdorf
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