: Comeback des Bierdeckels
Kirchhofs möglicher Tandempartner Friedrich Merz kämpft gegen die „Sozialdemokratisierung der CDU“
BERLIN taz ■ Friedrich Merz ist wieder da. Nachdem Paul Kirchhof in der CDU zunehmend auf Kritik stößt, zaubert Angela Merkel ihren alten Partei-Feind wieder aus dem Hut – den Urheber der Bierdeckel-Steuererklärung. Die politische Vorstellungen des Wirtschafts- und Finanzpolitikers Merz sind allerdings keineswegs sozialverträglicher als die von Paul Kirchhof.
Merz hat Visionen: Sozialleistungen kürzen, Kündigungsschutz abschaffen, Arbeitszeiten verlängern und Gewerkschaften entmachten. Auf der anderen Seite will er den Spitzensteuersatz senken und Zinseinkünfte geringer besteuern – Visionen für Besserverdienende.
Als die Herzog-Kommission 2003 ihre Vorschläge zur Reform der Sozialsysteme präsentierte, lobte Merz die radikalen Einschnitte als „Ende der Sozialdemokratisierung der CDU“. Man dürfe „nicht davor zurückschrecken, die Transferleistungen an arbeitsfähige Sozialleistungsempfänger um rund ein Drittel zu kürzen“, findet Merz. Denn: Die Menschen hätten „keinen Anreiz mehr, in den Arbeitsmarkt zu gehen“. Damit nicht genug: Finden ehemalige Sozialleistungsempfänger wieder einen Job, will Merz ihnen in den ersten drei Jahren keinen Kündigungsschutz gewähren. Für Arbeitnehmer über 53 Jahre sollte dieser ganz abgeschafft werden. Das Gleiche sollte seiner Meinung nach übrigens für Neueingestellte in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern gelten. Am Ende seiner Visionen sieht Merz die Vollbeschäftigung – und ein Ende der 35-Stunden-Woche. Die vollbeschäftigten Deutschen sollen nach den Vorstellungen von Friedrich Merz 42 Stunden pro Woche arbeiten – selbstverständlich ohne Lohnausgleich. Schließlich sei Deutschland mit 40 Stunden und mehr in den 1960er-Jahren zum Wirtschaftswunderland geworden.
Kein Wunder, dass dem Mann Betriebsräte und vor allem die Gewerkschaften ein Dorn im Auge sind. „Betriebliche Bündnisse müssen den Einfluss der Verbands- und Gewerkschaftsfunktionäre zurückdrängen.“ Betriebsratsmitglieder sollten nicht mehr vom Unternehmen, sondern per Umlage von allen Beschäftigten bezahlt werden, forderte Merz erst kürzlich.
SARAH MERSCH