Besuch bei den Aufständischen

HUNGERSTREIK Berlins Integrationssenatorin Kolat und die Migrationsbeauftragte des Bundes, Böhmer, sprechen mit den Flüchtlingen über „berechtigte Forderungen“

VON NIKOLAI SCHREITER

Für die Flüchtlinge ist es ein erster Erfolg ihres Hungerstreiks: Am Donnerstag besuchten die Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) und die Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer (CDU), die 17 ProtestlerInnen am Brandenburger Tor. Nach einer kurzen Begrüßung zogen sich die Politikerinnen mit den Flüchtlingen zu einem Gespräch in die Akademie der Künste zurück. Kolat sprach von „berechtigten Forderungen“, die der Senat sehr ernst nehme.

Das Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, auch Berliner Abgeordnete durften auf Wunsch von Böhmer nicht dabei sein.

Hamid M., der seit neun Tagen im Hungerstreik ist, sagte zuvor, er wisse noch nicht, wie es weitergehe. Nach dem Gespräch mit Böhmer und Kolat würden die Flüchtlinge beraten, wie sie weiter vorgehen wollen. Der Besuch von Böhmer zeige, dass die Bundesregierung verstanden habe, „dass sie mit uns sprechen muss“.

Er sieht besser aus als in den vergangenen Tagen, die Nacht zu Donnerstag war die erste seit mehr als einer Woche, in der die Flüchtlinge nicht im Freien, sondern in Bussen auf dem Pariser Platz geschlafen haben. Diese waren am Vortag ein Zugeständnis vom Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD). Zuvor hatten die Protestierenden bei jeder Witterung im Freien übernachten müssen, weil Zelte und Schlafsäcke als Versammlungsauflagen verboten sind. Dass Schlafsäcke und auch ein Sanitätszelt von der Polizei entfernt worden waren, stieß auf Kritik: Der Linken-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic bezeichnete dieses Vorgehen als „verfassungswidrig“. Ob die Verbote Bestand haben, entscheidet das Verwaltungsgericht am heutigen Freitag.

Keine Erlaubnis für Bus

Obwohl Hanke am Mittwoch Tische und Stühle sowie einen Wärmebus auf dem Pariser Platz zugesagt hatte, schrieb das Landschaftsplanungsamt, es werde „nach Rücksprache“ mit Hanke keine Sondernutzungserlaubnis für den Pariser Platz erteilen. Der Bus muss nun umgesetzt werden. Veranstaltungsanmelder Dirk Stegemann sagte, Hanke habe offenbar „seine Kompetenzen überschritten“ und Zugeständnisse gemacht, die er, weil nicht zuständig, nicht umsetzen könne. Es sei ihm „unverständlich“, dass dadurch eine bereits geschaffene Kommunikationsbasis wieder „zerstört“ werde.

Unterdessen brachten die hungerstreikenden Flüchtlinge am Donnerstag eine Petition mit ihren vier Forderungen an das Berliner Abgeordnetenhaus auf den Weg. Sie fordern darin die Anerkennung aller Asylsuchenden als politische Flüchtlinge, den Stopp aller Abschiebungen, die Aufhebung der Residenzpflicht und die „Schließung aller Isolationslager“, in denen Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens häufig leben müssen.

Die Gruppe hatte ihren Protest im März in Würzburg gestartet und in mehreren deutschen Städten Protestcamps aufgebaut. Am Mittwoch vergangener Woche traten die Flüchtlinge am Brandenburger Tor in den Hungerstreik.