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Kataloniens Autonomie steht auf der Kippe

Im Streit über Kataloniens verbotenes Unabhängigkeitsreferendum hat sich jetzt auch Spaniens König Felipe VI. zu Wort gemeldet. Er wirft den Katalanen „unzulässige Untreue“ vor. Von Dialog und Vermittlung kein Wort

Aus Madrid Reiner Wandler

Die Chancen für einen Dialog zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und der „Generalitat“ in Katalonien werden immer geringer. Jetzt hat sich auch König Felipe VI. in einer Fernsehansprache vom Dienstagabend zum Konflikt um die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region rund um Barcelona geäußert. Er wirft der Autonomieregierung „unzulässige Untreue“ vor. Der Staat müsse die „verfassungsmäßige Ordnung“ gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen verteidigen. „Angesichts dieser Situation von extremer Tragweite“ sei es „die Verantwortung der legitimen Staatsgewalten […], die verfassungsmäßige Ordnung aufrecht zu erhalten“. Er verlor kein Wort über eine Dialoglösung oder Vermittlung, wie Barcelona das gerne hätte.

Beide Seite wissen, was das bedeutet. Der Monarch gibt – auch wenn er rein rechtlich nicht gehört werden muss – der Regierung in Madrid freie Hand, die Autonomie der Katalanen außer Kraft zu setzen und die Region von Madrid aus zu regieren. Der Artikel 155 der Verfassung lässt dies im Falle der Rebellion einer Region gegen Madrid zu. Ministerpräsident Mariano Rajoy braucht dazu nur einen Beschluss der zweiten Kammer des spanischen Parlaments, des Senats. Dort hat seine konservative Partido Popular (PP) – anders als im Kongress – die absolute Mehrheit.

Die Stimmen derer, die ein solches Eingreifen fordern, werden immer lauter. Zuerst kamen sie nur aus den Reihen der PP und der rechtsliberalen ­Ciudadanos. Jetzt setzen auch namhafte Sozialisten auf eine drastische Lösung, allen voran die ehemalige Nummer 2 der PSOE, Alfonso Guerra. „Verhandeln mit Putschisten?“, das käme für ihn nicht in Frage. „Die Republik hat das besser gelöst“, fügt er hinzu.

In Katalonien weiß jeder, was der Sozialist damit meint. Guerra bezieht sich auf den Tag, der sich am Freitag zum 83. Male jährt. Am 6. Oktober 1934 rief die katalanische Regierung die „Republik Katalonien“ aus. Nur wenige Stunden später besetzten aus Madrid entsandte Truppen die Generalitat und verhafteten den Präsidenten.

Der Paragraf 155 würde ein ähnliches Szenario erlauben. Die notwendigen Polizeikräfte sind bereits vor Ort. Rund 12.000 Nationalpolizisten und Mitglieder der paramilitärischen Guardia Civil befinden sich in Katalonien. Die meisten wurden anlässlich des Referendums am vergangenen Sonntag in die Region verlegt. „Sie werden solange bleiben, wie es nötig ist“, erklärte der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoi­do am Mittwoch anlässlich eines Besuchs zum Frühstück bei seinen Truppen in Katalonien.

Auch die Justiz ist weiter aktiv. Das Sondergericht für Terrorismus, Banden-, Korruptions- und Finanzdelikte in Madrid, die Audiencia Nacional, ermittelt gegen die Vorsitzenden der Katalanischen Nationalversammlung und Òmnium, die das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung bilden, sowie gegen den Chef der Autonomiepolizei Josep Lluis Trapero wegen „Aufstands“. Ersteren drohen damit 4 bis 8 Jahre Gefängnis, Trapero als Würdenträger gar 15 Jahre.

Die Regierung in Barcelona kommentierte die Ansprache von König Felipe VI. zunächst nicht. Autonomiepräsident Carles Puigdemont kündigte eine eigene Fernsehansprache für Mittwochabend an. Seine Regierungskoalition „Gemeinsam für das Ja“ (JxSí) und die antikapitalistische CUP, die das Minderheitskabinett unterstützt, wollen für Montag eine Sitzung des Autonomieparlaments einberufen, um dort das Ergebnis des trotz Verbots abgehaltenen Referendums zu bewerten.

Das vom Verfassungsgericht suspendierte katalanische Referendumsgesetz sieht eine Unabhängigkeitserklärung 48 Stunden nach besagter Parlamentssitzung vor. CUP und der linke Flüge von JxSí unterstützen eine solches Vorgehen. Puigdemont hingegen scheint auf Zeit zu spielen, um internationale Unterstützung und Vermittler zu gewinnen, die eine gütliche Abspaltung Kataloniens von Spanien aushandeln.

Der Regierungschef im spanischen Baskenland, Iñigo Urkullu, richtete sich an Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und bot sich als Berater für eine Vermittlungsmission an. Auch die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada ­Colau, warnte nach der Ansprache von Felipe VI.: „Weder eine einseitige Unabhängigkeitserklärung noch der 155. Wir brauchen mehr denn je Vermittlung und ein Referendum in beiderseitigem Einvernehmen.“

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