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Archiv-Artikel

björn engholm, hoffnungsträger Gut im Abgang

Von BES
Björn Engholm, 69

Schleswig-Holsteins Ex-Ministerpräsident, geboren am 9. 11. 1939, war beim Mauerfall vor Ort – und nicht dabei.  Foto: dpa

Die Führungsriege der SPD war beim Mauerfall vor 20 Jahren nur sporadisch präsent. Der Grund: Sie war im Lübecker Rathaus. Björn Engholm, Ministerpräsident Schleswig-Holsteins und neben Oskar Lafontaine größte Hoffnung der Bundespartei, feierte dort Geburtstag. Es war der 50., und Günter Grass war auch dabei.

Die weltbewegende Nachricht erreichte die Versammlung früh, „ein Saaldiener“, so vertraute Engholm es dem NDR an, „brachte einen Zettel, während der Stadtpräsident eine Rede hielt“. Schlagartig habe sich der Saal geleert. Bloß die Politprominenz blieb: „Wir bekamen das gar nicht mit“, so Klaus Wedemeier, der damals Bremer Bürgermeister und Gast auf der Party war.

Wie rauschend die war, wissen wir nicht. Fest steht nur, dass die Berichte der beiden sozialdemokratischen Führungskräfte nicht zur Deckung zu bringen sind. Während Wedemeier im Kopf hat, dass erst am nächsten Morgen, beim Frühstück, der Groschen fiel, erinnert sich Engholm selbst an einen Nachtspaziergang. Bei dem habe es merkwürdig gerochen: „Das war“, so der Ex-Politiker, „der typische Trabi-Duft“. Logisch: Schlutup, der nächste Auto-Grenzübergang, wo sich auch Geschichte ereignete, lag ja keine zehn Kilometer entfernt. Man war also zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort – und doch nicht dabei: Mensch, Engholm am Schlagbaum, was wären das für tolle Presse-Bilder geworden!

Die Gunst der Stunde nicht zu nutzen ist, laut Montaigne, die schlimmste politische Untugend. Kohl weilte ja damals in Warschau. Aber wegen Engholms Sause konnte er, tags drauf, völlig unangefochten die Bühne okkupieren. Und Engholm, der Hoffnungsträger, wurde nie, was er hätte sein können. Deshalb war’s klug, vier Jahre später wegen einer Petitesse abzudanken und fortan der Kunst zu dienen. Denn so ist er, als einer der ganz wenigen SPD-Politiker, nie ganz gescheitert. Engholms Ruhm wächst deshalb. Er wird größer und wichtiger als er je war: Björn Engholm verkörpert das „Was wäre geworden, wenn…“ der Sozialdemokratie. Nach dem besteht derzeit erhebliche Nachfrage. Dazu alles Gute – und eine schöne Party! BES