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Vier Tote bei Attentat in jüdischer Siedlung

WESTJORDANLAND Der jüngste Anschlag erfolgt nach mehreren Wochen der relativen Ruhe

Der US-Gesandte für Nahost kommt noch in dieser Woche nach Jerusalem

AUS JERUSALEM Susanne Knaul

Seelische Probleme sind eine der Ursachen für ein Schussattentat mit vier Toten in einer israelischen Siedlung. Der Palästinenser Nimr al-Dschamal reihte sich am Dienstagfrüh wie schon oft zuvor unter seinen Kollegen am Kontrollpunkt der Siedlung Har Ada ein, als er plötzlich das Feuer auf die dort postierten Sicherheitsleute eröffnete. Er erschoss drei Wachposten, darunter einen Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft, bevor er selbst mit Schüssen, an denen er später starb, handlungsunfähig gemacht wurde.

Der 37-jährige Attentäter war Vater von vier Kindern und wohnte in dem benachbarten Dorf Beit Surik nordwestlich von Jerusalem. Er soll psychisch labil und seiner Ehefrau gegenüber gewalttätig gewesen sein. Vor wenigen Wochen floh die Frau nach Jordanien. In einem Abschiedsbrief beteuert al-Dschamal, dass seine Frau nichts mit dem, was passieren würde, zu tun habe. Sie sei eine gute Ehefrau und liebevolle Mutter.

Der Abschiedsbrief des Täters lässt Israels Sicherheitsapparat darauf hoffen, dass es sich bei dem Anschlag nicht um den Beginn einer neuen Serie von Attentaten handelt. Brigadegeneral Nitzan Nuriel, ehemals zuständig für Terrorbekämpfung im Büro des Premierministers, erklärte in einer telefonischen Schaltkonferenz mit Korrespondenten, es sei für Israel besser, „dass die Palästinenser Arbeit haben und ihre Familien ernähren können“. Nichtsdestotrotz sei erhöhte Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte ratsam, denn die Zeit der Feiertage gelte als Hochsaison für Terroristen.

Vergangene Woche fand das jüdische Neujahrsfest statt, und am nächsten Wochenende ist Jom Kippur, der höchste Feiertag für die Juden. Dazu kommt, dass Jason Greenblatt, der US-Sondergesandte für Frieden im Nahen Osten, diese Woche einen erneuten Vorstoß für die Wiederaufnahme von Verhandlungen unternimmt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte an, das Familienhaus des Attentäters abreißen zu lassen und Mitgliedern seiner Großfamilie die Arbeitserlaubnis zu entziehen. In Har Adar sind zwischen 100 und 150 Palästinenser beschäftigt. Auch al-Dschamal hatte eine gültige Arbeitsgenehmigung und war „in der Vergangenheit in Har Adar“ tätig, wie Shay Retter, der für die Sicherheit in der Siedlung zuständig ist, erklärte.

Die Kontrolle der palästinensischen Arbeiter, die überwiegend auf dem Bau und als Haushaltshilfen tätig sind, wird an von Grenzpolizisten und privat angeheuerten Wachleuten übernommen. Nach Ansicht von Brigadegeneral Nuriel hätten die Trennanlagen an der unmittelbar hinter der Waffenstillstandslinie von 1967 liegenden Siedlung „ein noch schlimmeres Ergebnis verhindert“. Nicht auszudenken, fügte er zu, wenn sich der Attentäter unbemerkt Zugang nach Israel hätte verschaffen können.

Netanjahu machte die „systematische Hetze“ der Palästinenser für den Anschlag verantwortlich. Er forderte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf, das Attentat zu verurteilen. In einer Pressemitteilung bezeichnete Hamas-Sprecher Husam Badran das Attentat als „heldenhaft“. Der Anschlag sei ein Signal dafür, dass die Intifada fortgesetzt werde. Seit Anfang des Jahres sind laut Rechnung der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan 16 Israelis und 56 Palästinenser bei gewaltsamen Zwischenfällen zu Tode gekommen.

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