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Archiv-Artikel

Rüttgers stopft hundert Mäuler

Das Land löst Personalsorgen: In Staatskanzlei und Ministerien schafft Schwarz-Gelb 100 neue Jobs für Redenschreiber und Politikverwalter

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Trotz katastrophaler Haushaltslage bläht Nordrhein-Westfalens neue Landesregierung die Ministerialbürokratie weiter auf: Die Koalition aus CDU und FDP will knapp 100 neue, teilweise hoch dotierte Stellen in der Regierungszentrale Staatskanzlei und den elf Landesministerien schaffen.

CDU-Finanzminister Helmut Linssen verteidigte die Neueinstellungen gestern vor dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landes als „ganz normalen Vorgang“ – geschätzter zusätzlicher Kosten von rund 1,3 Millionen Euro allein im laufenden Haushaltsjahr zum Trotz. „Die neue Landesregierung braucht Köpfe mit neuen Ideen, nicht überall, aber dringend im unmittelbaren Bereich des Ministerpräsidenten und der Minister in Vertrauens- und Leitungsbereichen“, so Linssen als Antwort auf eine kleine Anfrage der Sozialdemokraten. Weitere Details wollte der Minister nicht nennen – dazu müsse er die Kabinettssitzung vom kommenden Dienstag abwarten, so Nordrhein-Westfalens oberster Kassenwart.

Die Opposition reagierte empört. Linssen missachte die Rechte des Landtags, so Gisela Walsken, finanzpolitische Sprecherin der SPD, zur taz. „Offensichtlich will der Finanzminister erst die Presse und dann den Landtag informieren“ – der Haushaltsausschuss tagt am kommenden Mittwoch nicht. Linssen, der zunächst nur vier neue Stellen pro Haus habe genehmigen wollen, agiere schwach, findet Walsken: „Der wird seine Rolle noch finden müssen.“

„Linssen hat sich selbst entlarvt“, findet auch der grüne Finanzexperte Rüdiger Sagel – gespart werde erst mit dem Haushalt 2006, hatte der CDU-Finanzminister vor dem Haushaltsausschuss gesagt. Erst am Dienstag hatte Linssen einräumen müssen, dass der im CDU-Landtagswahlkampf angekündigte harte Sparkurs vorerst Makulatur bleibt: CDU und FDP wollen 2,3 Milliarden Euro mehr Schulden machen als von der rot-grünen Vorgängerregierung vorgesehen. Die Neuverschuldung Nordrhein-Westfalens steigt damit auf ein nie gekanntes Rekordniveau von 7,3 Milliarden Euro.

Verantwortlich dafür sei aber Rot-Grün, hatte Linssen argumentiert und von „Haushaltslücken in Milliardenhöhe“ gesprochen. „CDU und FDP verteilen noch einmal Wahlgeschenke, versorgen Parteifreunde mit lukrativen Posten und versuchen auch noch, die dadurch anfallenden zusätzlichen Schulden Rot-Grün in die Schuhe zu schieben“, hält der Grüne Sagel dagegen.

Strittig bleibt damit, ob das Land die teueren neuen Mitarbeiter überhaupt braucht. Fünf der neuen Spitzenverdiener sollen einzig als Redenschreiber für CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers tätig werden. Von der im Wahlkampf versprochenen Reduzierung der Bürokratie um jährlich 1,5 Prozent jedenfalls sprach der Finanzminister gestern nicht mehr – mit Ausnahme der Bereiche Polizei, Justiz, Finanzen, Schule und Hochschule wollten CDU und FDP 1.500 Stellen pro Jahr streichen. Stattdessen produziere Schwarz-Gelb in den kommenden fünf Jahren Mehrkosten von 27,8 Millionen Euro, rechnet die SPD genüsslich vor. CDU-Finanzminister Linssen gab sich gestern entsprechend kleinlaut: „Sie brauchen diese Truppe, wenn Sie versuchen wollen, das Land Nordrhein-Westfalen nach vorne zu bringen.“