: Dummschwätzige Studien
betr.: „Arbeitslose fordern zu viel Lohn“, taz vom 13. 9. 05
Es sind oft die kurzen Nachrichten am Zeitungsrand, die wütend machen. Wieder diese Arbeitslosen! Für den Job, den sie gar nicht haben wollen, jeder weiß es inzwischen, verlangen sie nun auch noch zu viel Lohn. Aber Gott sei Dank gibt es die Institute, die voll gepackt mit Experten sind.
Gerade noch zufällig, da in allen Medien über diese subversiven Elemente hergezogen wird, haben die in Kiel noch ein weiteres subtiles Detail dieser Subjekte offen gelegt. Beinahe wäre es zu spät gewesen – Annahmeschluss für die „Gurke des Jahres“ ist bekanntlich der 18. September. Und wie toll sie das wieder herausgefunden haben, und es klingt alles so einfach, vor allem so schön pauschal, dazu noch so runde weil einprägsame Zahlen: zehn und zwanzig Prozent.
Demnach stimmt es doch: die Arbeitslosen haben zu viel Zeit. Sie stellen ein Preis-Leistungs-Verhältnis (jede Klobürste hat schließlich so was) über ihr bisheriges Arbeitsleben auf, setzen sich mit dem Phänomen steigender Unternehmensgewinne bzw. Aktienkursen bei Bekanntgabe von Massenentlassungen auseinander, wundern sich womöglich darüber, wie mit überflüssigen und irrigen Studien jede Menge Geld zu machen ist, und kommen deshalb auf die blödsinnige Idee „Das kann ich doch auch, und noch viel schlechter!“ und verlangen einfach mehr Lohn. Das geht doch nicht! Wenn das jeder machen würde, hätten wir keine sinkenden Reallöhne. Wollen sie etwa mehr Sozialabgaben leisten, dem Finanzminister höhere Steuereinnahmen bescheren oder gar eine bessere Kaufkraft haben? Verstehe die Arbeitslosen, wer will!
Nach der noch viel zu beachtenden Studie „Dummschwätzige Studien von Instituten und die der IfW im Besonderen“ wird festgestellt, dass es Mittel und Wege gibt, den Auswirkungen der übergeschnappten Arbeitslosen zumindest teilweise entgegenzuwirken. Wie postuliert, gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, wie viel die Schlaumeier in Instituten an Gehalt bekommen, und dem, was sie sich redlich verdienen. Deshalb wird dem Verwaltungsrat des IfW empfohlen, die Gehälter und Löhne für alle um zwanzig Prozent (der geneigte Leser beachte die schöne runde, einprägsame Zahl) zu senken. Einmal um zehn Prozent, die sie sich bei ihrer Einstellung laut eigener Studie zu viel ergaunert haben, und weitere zehn Prozent, um eine zwanzigprozentig bessere Chance dafür zu haben, dass irgend ein normaler Mensch verstehen kann, wozu diese Leute überhaupt Geld bekommen.
Sollte sich jemand wegen der Pauschalisierung ungerecht behandelt fühlen, so frage er seinen Arbeitslosen oder Geringverdiener.
THOMAS LEUBE, Ronneburg