taz-Serie Angezapft: Erik Peter kommt mit einem Besucher im Shisha-Café Umkalthum in Neukölln ins Gespräch
: „30 Prozent arbeiten wie Sklaven“

Besser selbst tätowieren als gar kein Kreuz machen“; steht auf einem auffällig schwarz-goldenen Plakat der Kampagne „Neukölln, geh wählen!“. Es hängt an einer Laterne in der Sonnenallee zwischen Reuter- und Weichselstraße, einem Straßenabschnitt, den man gut und gerne auch als Shisha-Strich bezeichnen kann. Weiße Rauchwolken hängen hier bereits am Nachmittag über dem Bürgersteig. So auch vor dem Café Umkalthum.

Der einzige Mann, der hier ohne Wasserpfeife, dafür mit einem Kännchen Mokka sitzt, schaut zufrieden hinter seinem grauen Schnauzbart hervor. Ob er die Motivationshilfe für Neuköllner braucht, um sich für die Wahl zu interessieren? „Ich habe schon längst gewählt“, sagt er, „Briefwahl“. Sein Deutsch ist nahezu perfekt, seit 50 Jahren lebt der gebürtige Palästinenser im Land. Die deutsche Staatsbürgerschaft habe er schon lange inne.

Wen er gewählt hat, möchte er allerdings ebenso wenig verraten, wie seinen Namen, er sagt aber: „Natürlich wähle ich nicht rechts und keine Populisten.“ Ist er also zufrieden mit der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel? Das eben noch freundliche Gesicht des Rentners weicht einem grimmigen Blick. „Wie viel verdienen Sie?“, fragt er ohne die Antwort abzuwarten. „30 Prozent arbeiten wie Sklaven. Sie müssen arbeiten, bleiben Gefangene.“

Aus dem eben noch entspannten Kaffeetrinker sprudelt es nur noch so heraus. Die Bundesregierung tue in der sozialen Frage nichts. Zusätzlich zu den „Arbeitssklaven“ kämen noch die Armen. Schuld daran sei die SPD und „Hartz“. Die junge Kellnerin an der Eingangstür schaut besorgt herüber angesichts der Lautstärke des Gesprächs. Und vom Nebentisch schielt Khaled herüber, ein Mittzwanziger, der aussieht als wäre ein anderer Spruch der Neuköllner Wahlkampagne auf ihn zugeschnitten: „Geiler als Testo ballern in der Massephase.“ Zu dem Kandidaten Schulz fällt ihm nichts ein, aber die SPD sei doch für Gerechtigkeit. „Deutschland geht es gut“, sagt er, „ist egal, wer regiert.“

Auf das Stichwort scheint der Ältere nur gewartet zu haben. Vom problematischen Thema SPD wechselt er nahtlos über zum nächsten problematischen Thema – Israel. Die Unterstützung für den Staat durch jede deutsche Regierung in den vergangenen 50 Jahren kann er nicht verstehen – so die geschönte Version seiner Ausführungen. Ob man sich traut, das zu schreiben, will er wissen. Auf der Sonnenallee fährt ein Motorrad, geschmückt mit Dutzenden deutschen und palästinensischen Fahnen und lauter arabischer Musik vorbei. Es ist Zeit zu gehen.