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Archiv-Artikel

Der Horror von Fort Hood

13 Tote, 30 Verletzte: Das schlimmste Blutbad auf einem Armeestützpunkt in der Geschichte der USA

Fort Hood

■ Mit einer Fläche von 880 Quadratkilometern, das entspricht etwa der Größe Berlins, ist Fort Hood in Texas eine der größten Militärbasen der Welt und der größte Stützpunkt für Panzerverbände in den Vereinigten Staaten. Auf dem Gelände mit ausgedehnten Manövergebieten, Panzerschießbahnen und mehreren Flugplätzen sind derzeit eine Panzer- und eine Panzergrenadierdivision sowie mehrere unabhängige Brigaden und Regimenter stationiert, zurzeit etwa 56.000 Soldaten. Der Stützpunkt liegt auf halber Strecke zwischen den Städten Austin und Waco. Gegründet wurde er 1942. Der Stützpunkt wurde benannt nach John Bell Hood, einem Südstaatengeneral des US-Bürgerkriegs im 19. Jahrhundert.

AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM

Jahrelang musste er mit ansehen, wie kaputt Soldaten aus dem Krieg heimkehren können. Jahrelang hat er gebettelt, aus der Armee entlassen zu werden. Als er selbst den Marschbefehl für den Irak bekam, drehte Nidal Malik Hasan durch: In der Armeebasis Fort Hood in Texas eröffnete der Psychologe am Donnerstag das Feuer und richtete das schlimmste Blutbad auf einem Stützpunkt an, das es in den USA je gegeben hat: 13 Menschen starben, und 30 wurden verletzt. Der Amokläufer überlebte seine eigenen Schussverletzungen zunächst. Sein Motiv ist nicht so eindeutig wie zunächst gedacht.

Der Kugelhagel kam für Hasans Opfer aus heiterem Himmel: Gegen 13.30 Uhr US-Zeit holte der stämmige Mann mit dem kahl geschorenen Kopf zwei Handfeuerwaffen hervor und schoss. Auf alles, was sich bewegte. Hasan stieß zunächst auf wenig Widerstand, denn am Tatort trugen die wenigsten Soldaten ihre Waffen. Es war der Bereich, in dem Soldaten vor ihrem Einsatz oder nach der Rückkehr medizinisch untersucht werden. „Alles war absolut chaotisch“, sagte ein Sanitäter dem TV-Sender CNN. „Menschen liefen panisch herum, um sich irgendwo zu verstecken. Keiner kapierte zunächst, wer eigentlich der Täter war.“ Über das ganze Militärgelände heulten die Sirenen. „Attention!“, rief eine weibliche Lautsprecherstimme, die alle dazu anhielt, nicht ins Freie zu gehen.

„Hört mal, da hinten wird geschossen“, sagte ein Armeepfarrer, der gerade auf dem Weg zu einer Graduiertenfeier war: 600 Menschen trudelten dort, nicht unweit von Hasans Trakt, gerade im Auditorium ein. „Wir dachten erst, das ist eine Übung“, erzählte ein Zeuge im US-Fernsehen. Doch ein anderer Soldat begriff, dass es ernst war: Geistesgegenwärtig verrammelte er die Tür zum Hörsaal. „So schrecklich es klingt: Es hätte noch viel schlimmer werden können“, sagte der schockierte Kommandeur des Stützpunktes bei Killeen, General Bob Cone.

Mit vier Schüssen wurde der Amokschütze schließlich überwältigt. Ärzte gaben ihm am Freitag gute Überlebenschancen. Dann könnte er selbst die Frage beantworten, die sich jeder stellt. Die Frage nach dem Motiv des Amokschützen ist nämlich nicht so eindeutig zu beantworten, wie es auf den ersten Blick scheint. Der 39-Jährige aus Arlington, Virginia, hat seine gesamte Berufsausbildung beim Militär gemacht. Der Psychologe betreute seit Jahren traumatisierte Soldaten. Nach Fort Hood war er erst im April gekommen. Vorher arbeitete Hasan sechs Jahre im Walter Reed Army Medical Center in Washington. Diese Klinik gilt als der schrecklichste Schauplatz dafür, was Kriege Menschen antun können. Sie ist Anlaufstation für nahezu alle körperlich und seelisch verstümmelten Heimkehrer aus Irak und Afghanistan. Nach der Studie eines Veteranenverbands mit der University of California wimmelt es in den USA nur so von traumatisierten Soldaten: Mehr als ein Drittel der Rückkehrer haben psychische Probleme. Die meisten leiden am posttraumatischen Stresssyndrom.

Sein ehemaliger Ausbilder Thomas Grieger sagte der Nachrichtenagentur AP, dass auch Hasan zeitweise wegen psychischer Probleme in Behandlung war. Ob das der Grund dafür war, dass Hasan, wie eine Tante der Washington Post erzählte, jahrelang um seine Entlassung aus der Armee bettelte, oder etwas anderes, ist unklar. Die Tante und Kollegen beschreiben den jordanischstämmigen Mann als strenggläubigen Muslim. Jeden Tag sei er zum Gebet gegangen, und noch am Morgen der Bluttat zeigt das Video eines Ladens auf dem Stützpunkt ihn im traditionellen Gewand. Noel Hasan erzählte, ihr Neffe habe darunter gelitten, dass er nach dem 11. September 2001 oft wegen seines Glaubens angefeindet worden sei.

Ermittler gehen noch weiter. Sie wurden unlängst auf Hasan aufmerksam, weil er sich offenbar auf radikalmuslimischen Internetseiten geäußert hatte. Darin habe er unter anderem die Meinung vertreten, dass ein Selbstmordattentäter nichts anderes tue als ein Soldat, der eine Granate wirft, um seine Kameraden zu retten. Unklar ist, ob tatsächlich Hasan selbst hinter diesen Eintragungen steht. Einige seiner Kollegen jedenfalls berichten von Streiten mit Soldaten und Patienten, die die Einsätze der US-Armee verteidigt haben. Der Imam seiner Heimatgemeinde sagte AP, dass Hasan einmal in seiner Gegenwart ein Formblatt ausgefüllt habe. Als Geburtsort habe er Arlington eingetragen – als Nationalität: Palästinenser. Muslimische Verbände in den USA äußerten sich bestürzt und verurteilten die Tat.

Präsident Barack Obama drückte den Angehörigen der Toten und Verletzten sein Beileid aus. „Es ist schwierig genug, wenn wir diese mutigen Amerikaner in Kämpfen in Übersee verlieren. Es ist schrecklich, dass sie hier auf einer Basis in den USA unter Beschuss kommen.“