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Archiv-Artikel

So wird ein Schuh draus!

Turnschuh-Multis drücken die Preise, indem sie in so genannten Sweatshops produzieren lassen. Die faire Alternative heißt „Blackspot Sneaker“. Der Name bezieht sich auf das „Blackspotten“, das schwarze Übermalen von Markenlogos

VON OLE SCHULZ

Es begann im Juli 2003, als sich der umstrittene Turnschuh-Multi Nike den kleinen Konkurrenten Converse einverleibte. Während Nike aufgrund der Sweatshop-Verhältnisse, in denen die Sportschuhe in Asien produziert wurden, in die Kritik geraten war, genoss vor allem das Converse-Modell Chuck Taylor Kultstatus in Szenekreisen; der angenehm schlichte Schuh wurde schon von Basketballgrößen ebenso gerne getragen wie von den Ramones oder Kurt Cobain.

Kalle Lasn, Chef der Adbusters Media Foundation, sah mit dem Converse-Ausverkauf seine Chance gekommen, zumal Nike zu den Lieblingsgegnern der kanadischen Werbungskritiker mit Sitz in Vancouver zählt. „Wir boykottieren Nike schon seit Jahren“, so der gebürtige Lette Lasn. Zuvor hatte Adbusters – gemäß dem Motto „Rethink the Cool“ – schon mit bissigen „Uncommercials“ für Furore gesorgt, um die hohlen Botschaften der Werbeprofis auffliegen (to bust) zu lassen. Solch „Subvertising“, schreibt der 63-jährige Lasn in seinem Buch „Culture Jamming“, sei „professionelle Antiwerbung“, bei der die Betrachter erst auf den zweiten Blick merken, „dass das, was sie sehen, genau das Gegenteil von dem ist, was sie erwartet haben“. So erwiesen sich auf Adbusters-Plakaten die „United Colors of Benetton“ als das Grün der Dollarnote und das „Marlboro Country“ als Raucherecke.

Jetzt ging man aber einen Schritt weiter – und präsentierte im August 2003 einen eigenen Schuh: den Blackspot Sneaker. Der Name bezieht sich auf das „Blackspotten“, das schwarze Übermalen von Markenlogos. Vom Design ähnelt der Turnschuh zwar den klassischen „Chucks“, nur ist er unter ökologischen und sozial verträglichen Bedingungen hergestellt. Das Obermaterial ist aus Hanf, die Sohle aus biologisch abbaubarem Gummi – und dabei alles zu 100 Prozent vegan.

Der besondere Clou: Mit dem Kauf eines Paars Schuhe erwirbt man zugleich auch einen Anteilsschein an der Blackspot Anticorporation. Damit besitzt jeder Käufer Stimmrecht bei den Entscheidungen über die „Firmenpolitik“ des Anti-Unternehmens. Bei den „Votings“ wird neben Fragen des Designs etwa auch über die Verteilung der Gewinne entschieden. Bei der ersten Abstimmung, an der 95 Prozent der Anteilseigner teilnahmen, zeigte sich gleich, was den Blackspot-Käufern wichtig ist: Fast zwei Drittel pochten auf einen angemessenen, bezahlbaren Preis und wollten die Gewinne in die Entwicklung anderer Produkte investiert sehen.

Seit einigen Monaten ist der „Blackspot Sneaker“ nun auch direkt in Deutschland erhältlich (siehe Kasten). Während die herkömmlichen „Chucks“ einen Ladenpreis von rund 60 Euro haben, obwohl sie zu Billiglöhnen produziert werden, kostet der Bio-Schuh beim deutschen Online-Versand „Roots of Compassion“ zum Beispiel nur 41 Euro. „Das bedeutet, dass wir pro Schuh lediglich einen Gewinn von rund sieben Euro machen, die wir in soziale Projekte und die Entwicklung neuer Produkte investieren“, erläutert Sharon Cohen, die Blackspot-Marketingchefin. Wer sich den Schuh trotzdem nicht leisten will, der kann gleichwohl an der symbolischen „Arschtrittaktion“ teilnehmen, die laut Kalle Lasn dem Allerwertesten des Nike-Chefs Phil Knight gilt: Als Zeichen des „Anti-Branding“ muss man sich dafür lediglich einen roten Punkt vorne auf die eigenen Nikes malen.

Einen Schuh zu kreieren, welcher der Logokultur trotzt und unabhängig vertrieben wird – das klingt nach einem ebenso nahe liegenden wie Erfolg versprechenden Konzept. Doch der Weg von der Produktidee bis zur Herstellung war im Falle des Blackspot Sneakers ziemlich steinig. Die größte Hürde war, einen geeigneten Produktionsstandort zu finden, der den selbst gesteckten Ansprüchen genügte. Nach vergeblichen Versuchen in China, Nordkorea und Indonesien wurde man am Ende in Portugal fündig.

Seither werden die „Blackspot“-Schuhe von einem Familienbetrieb auf dem Lande gefertigt – bei umfassenden Arbeitnehmerrechten und überdurchschnittlichen Löhnen. Reich werden die Arbeiter in Portugal damit freilich nicht: Der Lohn liegt zwischen 420 und 700 Euro, was bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten in Portugal auch nicht gerade viel ist. „Dafür erhalten die Arbeiter aber auch 25 bezahlte Urlaubstage pro Jahr und zwei zusätzliche Monatsgehälter“, sagt Sharon Stone. „Wenn man das einbezieht, erhalten sie deutlich mehr als den Mindestlohn von 365 Euro.“

Kritik gibt es von Globalisierungskritikern indes auch an der Adbusters-Strategie des „Graswurzel-Kapitalismus“ und der Idee der Konsumentensouveränität, die es zu erlangen gelte: Die Vorstellung eines ethischen Unternehmens in dem kapitalistischen Umfeld einer globalisierten Weltwirtschaft sei naiv, so der Vorwurf. Sharon Cohen kontert: „Es scheint so, als ob der Kapitalismus nicht einfach von heute auf morgen aus der Welt verschwinden wird, und dass die Menschen auch weiterhin Schuhe brauchen werden. Uns geht es daher vor allem darum, ethische Alternativen beim Konsum zu bieten.“

Mittlerweile gibt es zumindest auch eine Alternative zum Blackspot Sneaker. Denn vor drei Monaten wurde der „Unswoosher“ vorgestellt – benannt in Ablehnung des hippen Nike-Hakens, des „Swooshers“. Hergestellt aus organischem Hanf und recycelten Reifen eignet sich der robuste Halbschuh vor allem für eins: um den großen Konzernen einen kräftigen Tritt zu verpassen.