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Das Gesicht der Mutter

Pointe-Noire Alain Mabanckou besucht seine Heimatstadt

Alain Mabanckou kehrt nach Pointe-Noire zurück. Zwei Wochen lang ist er mit seiner weitverzweigten Familie und seinen Erinnerungen konfrontiert. Das Gesicht, das dem Erzähler vor Augen steht, ist das seiner Mutter Pauline, eine „stets heitere Maske, die sie während ihres ganzen kurzen Daseins trug. Vor mir verletzlich zu wirken war für sie die größte Schande.“

„Die Lichter von Pointe-Noire“ ist vor Kurzem bei Liebeskind in München erschienen. Es ist ein poetisches, melancholisches und kluges Buch, das die universelle Geschichte eines Kindes erzählt, das die von der Mutter gewünschte Abnabelung als Schuld empfindet. 23 Jahre ist es her, seit der erfolgreiche Schriftsteller die an der Atlantikküste gelegene, zweitgrößte Stadt der Republik Kongo verlassen hat. Die Mutter ist schon lange tot, zu ihrer Beerdigung kam der Sohn nicht. Sie hat ihn anfangs allein großziehen müssen und zog aus dem Dorf in die Stadt, wo sie als Händlerin ihr Geld verdiente.

Der Erzähler wird mit einer großen Party empfangen, danach driftet er durch die Stadt. Trifft Tanten, Onkel, nahe und ferne Vettern und Basen, ehemalige Kinobetreiber, Prostituierte und den alten Philosophielehrer. Wenn das Gesehene sich mit Erinnerungen, Bildern, Erzählungen aus der Vergangenheit verbindet, entsteht ein epischer Raum, in dem das Verhalten Einzelner Auskunft über die Welt von Pointe-Noire gibt. „Großmutter Hélène“ etwa, die in Wirklichkeit seine Tante ist, hat nie verstanden, dass ihre Freundlichkeit, die im Dorf Pflicht gewesen war, um „Schmarotzer, Egoisten und Individualisten“ fernzuhalten, den Stadtbewohnern verdächtig vorkommen muss.

Das vielleicht größte Kompliment, das man diesem Text machen kann: Die zwischen den Text gestreuten Schwarzweißfotos wirken wie Aufnahmen von Verwandten, von denen man schon viel gehört, die man aber noch nie zu Gesicht bekommen hat. Ulrich Gutmair

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