Berliner Szenen: Unterwegs in Bullerbü
Im Bürgeramt
Täglich erfahren BerlinerInnen, dass es bei der Stadtverwaltung irgendwo hakt: vermüllte Parks, vollgestopfte Busse, miserable Schulen, überfüllte Bürgerämter – die Mängelliste ist lang. Dass es auch anders geht, zeigt sich dort, wo manch Innenstadt-BerlinerIn nur naserümpfend und bei schönem Wetter hinfährt: im Umland.
Als Ehrenamtler (Ko-Nachwuchstrainer im Fußballverein) musste ich kürzlich auf’s Amt. Jugendtrainer brauchen ein polizeiliches Führungszeugnis, lästig, aber angesichts von Missbrauchsfällen Vorschrift. Das Zeugnis beantragt man auf der Meldestelle – wenn man noch drankommt, dachte ich besorgt, als ich an einem Dienstagabend zehn Minuten vor Dienstschluss im Bürgeramt meiner Umlandgemeinde auftauchte. Ohne Termin.
Der Warteraum war leer. Einen Moment stand ich unschlüssig herum, ob ich durch die geöffnete Tür ins Besprechungszimmer gehen sollte, als von dort eine Stimme rief: „Kommse ruhich rin!“ Zwei Angestellte saßen an ihren Schreibtischen. „Wat hamwa denn uffm Herzen?“, fragte die eine. Ich erklärte ihr mein Anliegen, zeigte Ausweis und Vereinsschreiben vor, und drei Minuten später konnte ich wieder gehen. „Sie bekomm’ dann Post vom Bundesamt für Justiz“, sagte die Dame. „Schön’ Feierahmd“, sprach ich beim Rausgehen, „und danke, dass dit hier so schnell jing.“ „Na, dafür sind wa doch da!“
Auf dem Heimweg radelte ich an einer gepflegten Grünanlage, einem sauberem Spielplatz und an einem neu gestaltetem Schulhof vorbei. Ja, ist hier denn Bullerbü, fragte ich mich. Ein rücksichtsloser Geländewagenfahrer riss mich aus meinen Gedanken, und der spärlich besetzte Bus, der vorbeifuhr, erinnerte mich daran: Wer kein Rad oder kein Auto fahren kann, ist hier aufgeschmissen. Nach 20 Uhr und am Wochenende fährt kein Bus mehr. Richard Rother
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