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Archiv-Artikel

Vor dem Amour Fou Mops und Lyrik

Passen Sie mal auf Ihr Kind auf. Mein Hund hat Angst vor ihm

Vor dem Café Amour Fou, in dem es ausgezeichneten Kuchen von einer sehr professionellen Bäckersfrau gibt, wobei diese Tatsache allein noch keine hinreichende Begründung für den Namen des Cafés ist, jedenfalls würde ich beim Betreten des Souterrain-Cafés nie an so was wie verrückte Liebe denken, und ein Rätsel bleibt der Name erst recht, wenn man „L’Amour Fou“ von André Breton gelesen hat, weil es in dem Café sehr ordentlich zugeht, es ist kein Ort für dramatische Leidenschaft und glühende Liebesbekenntnisse, kein Ort der Tränen und der Verzweiflung, nicht einmal der stillen Einkehr oder der stummen und selbstquälerischen Reflexion über das, was Liebe ist … Wo bin ich denn jetzt gelandet? Eigentlich wollte ich sagen, dass ich vor dem Café Amour Fou Timo über den Weg laufe, der selbst gebastelte Lyrik auf kleinen Zetteln verkauft. Er redet auf einen Engländer ein, der gerade sagt: „I don’t read that!“ Klar, warum soll er ein deutsches Gedicht lesen?

Ich gehe weiter zum Bäcker. Vor mir stehen zwei Frauen mittleren Alters. Die eine hat einen Mops, die andere auch. Okay, sieht nur ein bisschen so aus wie ein Mops, ist aber ein etwa dreijähriges Kind, das neugierig auf den richtigen Mops zugeht. Die Frau mit dem echten Mops sagt zu der anderen Frau: „Können Sie mal auf Ihr Kind aufpassen. Mein Hund hat Angst vor ihm.“ Die andere Frau antwortet: „Der tut nichts. Der will nur spielen.“

Nicht schlecht, denke ich und trage meine Brötchen nach Hause. Vor dem Amour Fou hat Timo immer noch den Engländer in seinen Fängen. Inzwischen kniet Timo vor seinem Kunden und sagt: „I will translate the lyrics for you.“ Er benutzt das eine Knie als Schreibunterlage und kritzelt auf die Rückseite des Zettels die Übersetzung. Dabei spricht Timo ohne Unterlass. Der Engländer sieht nicht glücklich aus. Er teilt die verrückte Liebe Timos in seine Lyrik nicht. Klaus Bittermann