LeserInnenbriefe
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Rechtspopulismus – salonfähig

betr.: „Nie wieder?“, taz vom 22. 8. 17

Die Zeiten nach den Pogromen in Rostock haben sich geändert: Rechtspopulismus ist salonfähig geworden, und mit der AfD gibt es eine Partei, deren Tendenzen stark nach rechts gerichtet sind, die in diversen Landtagen sitzt und wohl auch in den Bundestag einziehen wird. Durch Pegida wird vor einer Islamisierung des Abendlandes gewarnt; so ist es nur logisch, dass die Straftaten mit rechtsgerichtetem Hintergrund wieder gestiegen sind, und oft lässt sich hier ein Schulterschluss von Rechtspopulisten und Rechtsextremen erkennen. Aber auch von Politikern der sogenannten etablierten Parteien, wie zum Beispiel der CSU, sind halt Forderungen zu hören nach einer Obergrenze. Diese „Das Boot ist voll“-Manier ist auch ein Grund für den Anstieg rechter Straftaten! Wer durch Ängsteschüren Öl ins Feuer kippt, der macht sich mitschuldig am Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Organisationen und Parteien!

RENÉ OSSELMANN, Magdeburg

Wirre Fantasien – dekonstruieren

betr.: „Deutschland zuerst: AfD stellt ihre Asylpolitik vor“, taz vom 22. 8. 17

Artikel wie dieser tragen zur Normalisierung der rassistischen AfD bei. Auch wenn formal nichts verkehrt ist mit diesem Bericht und der Tonfall Distanz ahnen lässt, wird die Programmatik der Rechtspopulisten hier doch ernst genommen und mehr oder weniger unkonzentriert wiedergegeben. Bitte nicht! Es darf keine Normalisierung der AfD geben. Auch wenn diese auf längere Sicht an keiner Regierung beteiligt sein wird, ist es ihre Funktion, extreme rassistische, menschenverachtende und patriarchalische Positionen im gesellschaftlichen Mainstream zu verankern. Die wirren Fantasien der AfD sollten darum dekonstruiert werden. Hier geht mir dieser Artikel nicht weit genug.

SÖREN KÖPKE, Hannover

Rassismus und der Volksglaube

betr.: „Weißisten, Überlegenheitler, Neonazis“, taz vom 16. 8. 17

Auch wenn die „Wortkunde“ wohl mehr als leichte Unterhaltung dient, wünsche ich mir doch etwas mehr analytische Tiefenschärfe. Rassismus ist nicht „die Ansicht, dass Menschen einer bestimmten Ethnizität weniger wert sind als andere“ – da steckt mehr dahinter.

Rassismus ist die Ansicht, dass der Charakter eines Menschen durch sein „Blut“, sprich seine Genetik, bestimmt wird; kulturelle und soziale Prägung wird dabei ignoriert. Daher kann es durchaus auch „positiven“ Rassismus geben, wie zum Beispiel die Ansicht, Schwarze könnten qua Abstammung besonders gut singen oder tanzen. Ist das akademische Haarspalterei? Nein, denn es gibt leider vonseiten der neuen Rechten das immer populärer werdende Theorem des „Ethnopluralismus“, das alle „Rassen“ gleichermaßen anerkennt, aber verneint, dass diese friedlich und gedeihlich zusammenleben könnten, da sie ja qua Genetik zu unterschiedliche Charaktere haben. Dagegen verfängt eine Argumentation nicht, die auf Ihrer Definition beruht und rein moralisch daherkommt.

Die Rechten von heute sind großenteils nicht mehr irgendwelche Altnazis oder Dumpfskins – man muss mit intellektueller Gegenwehr rechnen. Und noch etwas wird durch eine tiefenschärfere Definition klarer: Rassismus kann ungeheuer gut auf dem extrem weit verbreiteten Volksglauben aufbauen, Kinder würden (qua „Blut“) Charakterzüge von ihren Eltern „erben“.

So betrachtet bemerkt man erst, wie anfällig die Gesellschaft – wenn auch oft ungewollt – für rassistische Botschaften ist. FLORIAN SUITTENPOINTNER, Köln

Das Rückgrat finnischer Geschichte

betr.: „Hinter dem Rücken Gottes“, taz vom 19./20. 8. 17

Sehr geehrter Herr Unfried, Ihr Finnland Artikel hat mich sehr irritiert. Sie meinen, eine kurze Geschichte Finnlands in Ihre Reportage einbauen zu müssen. Das ist gut, sollte aber den geschichtlichen Gegebenheiten entsprechen.

1. Die Sowjetunion wurde nicht im Dezember 1917 gegründet, sondern einige Jahre später.

2. Lenin hat Finnland nicht aus dem russischen Kolonialreich in die Unabhängigkeit entlassen – sie wurde von den Finnen erkämpft.

3. Der wichtigste Krieg Finnlands im 20. Jahrhundert war der Winterkrieg im November 1939, also der Überfall der UdSSR, der blamabel für die gerade gesäuberte Rote Armee verlief, an Grausamkeit aber nichts zu wünschen übrig ließ und unter anderem mit der Annexion Südkareliens und der Gründung der südkare­lischen Sowjetrepublik endete.

4. Zur Zeit des Winterkriegs 1939/40 war nicht Finnland mit Nazi-Deutschland verbündet, sondern die UdSSR mit Nazi-Deutschland (Molotow-Ribbentrop-Pakt).

5. Finnland stand darum der UdSSR allein gegenüber, auch UK und Frankreich oder sonst ein Staat waren bereit zu helfen. Schweden lieferte humanitäre Hilfe.

6. Die Anlehnung Finnlands an Deutschland ab 1941 resultierte aus dieser Erfahrung. Nach dem Separatfrieden mit der UdSSR verwüstete die Wehrmacht Nordfinnland.

Es ist nur schwer begreiflich, wie ein für Finnland so tiefgreifendes Ereignis so intensiv verschwiegen werden kann.

Dann sollten Sie doch lieber keinen historischen Abriss dazutun und alles bei Ihrem Urlaubsbericht belassen.

Ich verbleibe mit erstaunten Grüßen

HELMUT LANGE, Groß-Gerau