: Wahlverlierer CDU sieht schwarz
Die Christdemokraten in Hamburg haben am unerwartet schlechten Wahlergebnis heftig zu kauen. Alle SPD-Direktkandidaten gewinnen ihre Wahlkreise. Anja Hajduk (GAL) und Norman Paech (Linkspartei) zittern um ihren Einzug in den Bundestag
Von Marco Carini
Wie er das Ergebnis bewerten soll, weiß auch Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Ortwin Runde nicht: „Im Wahlkampf haben die Parteien dem Wähler Rätsel aufgegeben, nun gibt der Wähler den Parteien Rätsel auf.“
Es ist eine merkwürdige Stimmung an diesem Wahlabend im Hamburger Rathaus. Keine Partei hat wirklich gewonnen, niemand nur verloren. Und erst Recht weiß keiner der versammelten PolitikerInnen zu sagen, was das Wahlergebnis für eine Regierungskonstellation nach sich ziehen wird. Runde macht deshalb in Zufriedenheit. „Wir haben in den vergangenen Wochen mächtig zugelegt und Schwarz-Gelb verhindert“, betet der Ex-Bürgermeister das SPD-Ergebnis gesund.
Immerhin kann sich der Hamburger SPD-Spitzenkandidat darüber freuen, dass neben ihm auch alle anderen fünf SPD-DirektkandidatInnen der Hansestadt ihre CDU-Konkurrenz zum Teil deutlich abgehängt haben. Komfortable zehn Prozentpunkte liegen die Hamburger Sozialdemokraten vor den Christdemokraten. Vier Prozentpunkte weniger als noch vor drei Jahren, aber deutlich mehr, als von allen Demoskopen erwartet.
Auch CDU-Spitzenkandidat Dirk Fischer weiß das „enttäuschende und komplizierte Ergebnis“ nicht zu deuten. Der Wähler habe die Offenheit, mit der die CDU auch schmerzhafte Einschnitte, etwa die geplante Mehrwertsteuer-Erhöhung, offenbart hätte, nicht zu würdigen gewusst.
Klar sei nur: Angela Merkel habe nun den Auftrag zur Regierungsbildung, mit allen Parteien außer der Linken müsse nun geredet werden. Erstaunlich klare Worte findet Fischer gegen die rechnerisch klarste Regierungs-Variante, die Große Koalition aus CDU und SPD. Sie sei, so der CDU-Parteichef, „eine Koalition der Selbstblockade“.
Auch für die grüne Hamburger Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk hat Angela Merkel „den Auftrag eine Regierung zu bilden“. Die Grünen hätten sich „trotz der Zuspitzung auf die Kanzlerfrage gut behauptet“. Da es „aufgrund des frühen Wahltermins nicht gelungen“ sei, Rot-Grün zu verteidigen, stelle sich ihre „Partei jetzt auf Opposition“ ein, betont Hajduk. Über eine rechnerisch mögliche Ampelkoalition will die Grünen-Politikerin genauso wenig spekulieren wie darüber, ob das Hamburger Wahlergebnis der GAL für sie persönlich reicht, um erneut in den Bundestag einzuziehen. Hajduk: „Ich rechne mit einer sehr langen Nacht.“
Mit der rechnete am gestrigen Abend auch der Spitzenkandidat der Hamburger Linkspartei, Norman Paech. Die rund sechs Prozent, die die Linkspartei in Hamburg erreicht, könnten bedeuten, dass der Völkerrechtler den Umzug nach Berlin knapp verpasst. Mit einem Wahlkampfetat von 9.000 Euro und „gegen die Springer-Presse“ sei es in dieser Stadt, „die eine eher konservativ-rote Tradition“ habe, schwer gewesen, ein besseres Wahlergebnis zu erzielen, sucht Paech Gründe für den begrenzten WählerInnen-Zuspruch.
Doch auch wenn das Ziel, „dass zumindest ein Hamburger Linker im neuen Bundestag sitzt“, womöglich nicht erreicht werde, würden die bundesweit gut acht Prozent für die Linkspartei „ein gutes Ergebnis“ und „die Rückkehr zu europäischer Normalität bedeuten“. Für Hamburg sieht Paech nun „eine günstige Perspektive für den Einzug der Linkspartei in die nächste Bürgerschaft“.
Der Wahlkampf dafür hat für Leif Schrader von der FDP „mit dem heutigen Abend“ begonnen. Und hier will er mit einem Hamburger Ergebnis von rund neun Prozent „viel Rückenwind aus dieser Wahl mitnehmen“. Trotz verpasster schwarz-gelber Regierungsoption fühlen sich Schrader und die Elbliberalen „als klarer Sieger“ des heutigen Abends. FDP-Spitzenkandidat Burkhardt Müller-Sönksen guckt unterdessen mehr auf die Bundespolitik und betont, „eine Ampelkoalition“ werde es mit den Liberalen nicht geben.
So bleibt an diesem Wahlsonntag im Hamburger Rathaus vieles noch im tiefen Nebel. Und in diesem taucht am späten Abend in den den Gängen des Hamburger Regierungshauses ein Gespenst auf. Sein Name: Neuwahlen.