: Metall-Recycling
Der Popkomm Metal Showcase ritt eilig durch vier Genres: die Achtziger-Reminiszenz, den Gothic Rock, den Death Metal – und den Cosmic Biker Metal. Fantasie hatte dabei nur Letzterer: WE aus Norwegen riefen zum hübsch verstrahlten „Come together“
VON IMKE STAATS
Der Club 23 in der Kulturbrauerei erzeugt Vorstellungen von dandy-schicken Partypeople, die sich bei House-oder Soul-Musik anbaggern und von Modelscouts entdecken lassen. Vor groß gemusterten Tapeten, Kunstleder-Liegeflächen und Siebzigerjahre-Lampen hob sich die bühnentechnische Vorhut der Metall-Attacke am Freitagabend mit schwarzen Kapuzenpullis und Tattoos deutlich ab.
Metal, das neben der Volksmusik traditionsbewussteste Genre, sollte beim Popkomm-Showcase in vier Schattierungen zeigen, was sein derzeitiges Spektrum ist. Und das sieht wohl so aus: drei Viertel Klischee, ein Viertel Entdeckung – WE aus Oslo.
Wer sich neulich noch via The Darkness auf altes Neuland des Metal gewagt hat, könnte mit WE schon in Kontakt gekommen sein. Dieser Kapelle mit ihrem Cosmic-Biker-Metal eilt der Ruf der einzigen von Turbonegro gefürchteten Live-Band voraus. Blaues Nordlicht bestrahlte die Figuren des ersten Aktes, den Turbonegro-Lookalike-Drummer, den Bassisten in schwarzem Leder und Gitarrist Don Don, an dem alles von der blonden Mähne bis zum Tuch an der Gitarre in Luftdusche wehte.
Dazu gesellte sich ein schlangenhaft bewegtes Wesen mit schamanenhaftem Federhelm. WE-Sänger Thomas Felberg ist ein weißer Magier in Mission für das Gute – für die Begegnung auf kosmischen Motorrädern. Ein Mann, der Spaß hat an fantasievoller Bühnengarderobe wie komischen Hüten und riesigen weißen Schuhen, in denen er mit dunklen Socken steckte. Den nackten Oberkörper trägt er nicht gebuildet – aber gerade das verschafft ihm Sexappeal. Nach einer Weile stellte sich der Blick von Betörtheit auf Klarsicht um: Unangestrengter Spaß-Metal, Posing von Herzen, Glamour, der sich nicht parodiert.
Nach Stücken aus dem kommenden Album „Smugglers“ wurde noch ein einziger alter Hit nachgelegt, „Carefree“, ein Lied über Menschen, die im Business alles verloren – und nur noch die Möglichkeit zu kosmischer Begegnung haben. WE meinen es gut mit uns – sie lieben Deutschland, sagen sie – und hoffen, dass wir es gut mit ihnen meinen, also einen Vertrieb für sie finden. Schließlich ist ja Popkomm.
Nach der Glamour-Sektion für Einsteiger folgte dann dreimal Metal für Sowieso-schon-Fans, die sich nicht an Klischeeübererfüllung stören. Klassischer Metal beispielsweise, wie ihn die Berliner von Morbid Mind machen, klang wie damals in den Achtzigern aus dem Zimmer des großen Bruders und sieht auch genauso aus: Matte schleudern zu Reminiszenzen an Judas Priest und Iron Maiden. Das funktionierte nur als Heimspiel und bei festen Fans.
Bei Lullacry wurde es bei aller Härte ein bisschen theatralischer. Was nicht wundert, macht die Band aus Finnland doch Gothic Rock. Wie im Fantasy-Comic stand Sängerin Tanja in Lackleder geschnürt neben ihren das wasserfallene Blondhaar schwingenden Mannen. Zuverlässig wurde das Klischee auch hier nicht angetastet.
Blieb noch die dunkelste Färbung allen Metalls: Death Metal. Wer’s brauchte, dem boten Criterion aus Norwegen geballte schlechte Stimmung, Satansgesten, rohe Haarlosigkeit in Militärhosen und Schnallenstiefeln, ein Vorwerfen und Fressen. Wer so böse ausstrahlt, erntet keinen lieben Applaus, dafür einen großen Moshpit. Und jede Menge amüsiert grinsende Konzerthopper, die sich den Spaß machten, dem Sänger ähnlich unartikuliert zu brüllen – und schnell wieder den Ort zu wechseln.