: Tschad: menschenrechtsfrei bis 2074?
Amnesty international kritisiert die Vereinbarungen zwischen Ölkonzernen und den Regierungen in Kamerun und im Tschad. Die Verträge zementierten die Menschenrechtsverletzungen in den beiden Staaten – und müssten nachverhandelt werden
von GUDRUN LUX
Erdöl ist nicht nur teuer und umweltschädlich, sondern auch noch eine Gefahr für die Menschenrechte. Dies zumindest konstatiert amnesty international (ai) in einem Bericht, der in Berlin veröffentlicht wurde.
Seit zwei Jahren fördern die US-Konzerne ExxonMobil, ChevronTexaco und die staatliche malayische Erdölgesellschaft Petronas Erdöl in der Region Doba im Süden des zentralafrikanischen Tschad. Über eine 1.070 Kilometer lange Pipeline wird das Öl zur Atlantikküste Kameruns transportiert. Von Beginn an war das unter anderem von der Weltbank mit Krediten ausgestattete Projekt von Protesten begleitet: Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen und Nachteile für die wirtschaftliche Entwicklung werfen Kritiker den Konzernen vor. Amnesty analysierte erstmals die juristische Grundlage für Ölförderung und Pipeline: Die Verträge zwischen den Regierungen des Tschad und Kameruns und dem Firmenkonsortium um den US-Konzern ExxonMobil. In der zum Teil bis 2074 gültigen Vereinbarung ist festgelegt, dass der Vertrag im Konfliktfall über nationalem Recht steht. Bei „Zuwiderhandlung“ sind die Staaten zu Schadenersatzzahlungen verpflichtet – eine Regelung, die das bestehende Unrecht zementiert. Denn sollte eine Regierung jetzt oder in den kommenden Jahrzehnten Gesetze erlassen, die die Konzerne in deren Geschäftstätigkeit irgendwie einschränken, muss sie mit Schadenersatzklagen rechen. Vorschriften zum Umweltschutz oder der Entschädigung von Menschen, die für den Bau der Pipeline enteignet wurden, kann sich eine Regierung dann schlicht und ergreifend nicht mehr leisten.
„Wir kritisieren grundsätzlich, dass sich die Unternehmen nicht um die Menschenrechte kümmern“, sagt Mathias John, ai-Experte für wirtschaftliche Beziehungen. Zudem sei die Weltbank zur Verantwortung zu ziehen: „Menschenrechtsaspekte spielen bei der Weltbank keine Rolle“, resümiert John. Der Vertragstext, da ist er sicher, sei völkerrechtswidrig. Amnesty international fordert daher, dass die Verträge überarbeitet werden. Staaten und Unternehmen müssten klar ihrer Verantwortung für die Menschenrechte nachkommen.
Zwar sind die beiden afrikanischen Staaten diversen Menschenrechtsverträgen beigetreten und haben Menschenrechte in ihren Verfassungen verankert – durchgesetzt sind und werden sie freilich nicht. Im Gegenteil: In beiden Ländern kommt es immer wieder zu schweren Menschenrechtsverstößen. Folterungen sind an der Tagesordnung. Die Regierung des Tschad, die durch einen Militärputsch im Jahr 1990 an die Macht kam, wird für Massenhinrichtungen verantwortlich gemacht.