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Archiv-Artikel

Die Ampel: Immer noch besser als Merkel?

Keine Mehrheit für Schwarz-Gelb: Was spricht für Rot-Grün-Gelb – und was für eine Minderheitsregierung?

BERLIN taz ■ So schnell der Traum von der schwarz-gelben Mehrheit geplatzt war, so schnell fingen Pragmatiker gestern Abend an, die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP zur künftigen Regierung Deutschlands ins Spiel zu bringen. Warum? Nicht allein aus Machtgier und Opportunismus. Sie wissen, dass die linke Mehrheit (Rot-Grün-Rot) kaum in eine Koalition umzusetzen ist. Sie wollen die Fortsetzung von Rot-Grün, zumindest das Schreckgespenst des Neoliberalismus und sein Gesicht bannen: Angela Merkel.

„Ich werde mit allen Parteien Gespräche aufnehmen – außer mit der Linkspartei und Lafontaine“, kündigte Kanzler Gerhard Schröder gestern Abend nach dem desaströsen CDU-Ergebnis an. Also ist die Ampel eine Möglichkeit? Konkreter wurde Schröder nicht. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager sagte, sie sei auf Opposition eingestellt. Aber: „Wir wollen erst mal sehen, was die Großen machen.“

Dass der Wähler Angela Merkel einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilt hat? Die Kanzlerkandidatin behauptete das nach ihrem schlechten Ergebnis. Sie glaubt, einen „klaren Regierungsauftrag“ zu haben. Richtig ist: Die CDU könnte als stärkste Partei mit großer Koalition regieren, kann aber nicht nach Karlsruhe gehen und einen Regierungsanspruch einklagen. Der damalige CDU-Spitzenkandidat Helmut Kohl holte 1976 für die Union 48,6 Prozent der Stimmen – und Helmut Schmidt regierte mit der FDP weiter.

Und nun? „Dieses Land will Gerd Schröder als Kanzler haben“, sagte SPD-Chef Franz Müntefering. Es klang, als müsse man das ernst nehmen. Allerdings ist es für einen SPD-Kanzler schon schwierig genug, mit der eigenen Partei zu regieren. Und dann noch mit Grünen und FDP in der Koalition?

Die inhaltlichen und kulturellen Differenzen zwischen FDP und Grünen haben nach Aussagen von Kabinettsmitgliedern in der Vergangenheit Landesregierungsmodelle zur Hölle gemacht und letztlich gesprengt. Dennoch hat etwa der grüne hessische Landesvorsitzende und Staatssekretär Matthias Berninger die Ampel ins Spiel gebracht, um „grüne Errungenschaften“ verteidigen zu können. Das gehe nur in der Regierung. Auch der grüne Spitzenkandidat Joschka Fischer schloss zuletzt die Ampel nicht kategorisch aus. Er hat stets darauf hingewiesen, dass, selbst wenn die Grünen wollten, es nicht ginge, weil FDP-Chef Guido Westerwelle sie abgelehnt habe. „Für eine Ampel und andere Hampeleien stehen wir nicht zur Verfügung“, legte sich der FDP-Chef gestern Abend in all den Koalitionsspekulationen fest. Er gehe lieber in die Opposition.

Na ja, sagt Berninger: „Wenn es eine Partei gibt, bei der Beschlüsse eine geringe Halbwertszeit haben, dann ist das die FDP.“ Die einen nennen die Liberalen opportunistisch, die anderen sagen, es sei ihre originäre Aufgabe, Mehrheiten zu beschaffen. Ob die FDP an einer solchen Regierungsbeteiligung zerbrechen würde oder an weiteren vier Jahren Opposition, ist genauso abzuwarten wie die Frage, ob sich ihr Vorsitzender ob seines erstaunlichen persönlichen Wahlsieges neu positionieren wird.

Klar ist, dass die Parteien für eine Ampel Übereinkunft in den wesentlichen Inhalten brauchen und eine parteiübergreifende Gruppe von Ampelmännern und -frauen, die willens sind, die inhaltlichen und persönlichen Konflikte auszuhalten. Insofern sind die kulturellen Differenzen zwischen dem 68-geprägten Fischer und dem 68er-Hasser Westerwelle sicher nicht fördernd.

„Wenn einer die Ampel hinkriegt, in Gottes Namen“, sagte Daniel Cohn-Bendit, Chef der Grünen im EU-Parlament, der taz. Merkel müsse entweder ihre Niederlage zugeben und Platz machen. „Oder Merkel und Schröder stellen sich im Parlament zur Wahl. Dann sehen wir, was rauskommt.“ Wolle die Linkspartei Schröder nicht, müsse er auch gehen. „Aber wenn Schröder eine Mehrheit kriegt, muss er eine Minderheitsregierung bilden.“ Er findet, „dass diese Republik lernen muss, auch mit einer Minderheitsregierung zu leben“. PETER UNFRIED