: Der Blick von außen
Die Bundestagswahl stößt in ausländischen Medien auf große Resonanz und auf unterschiedliche Einschätzungen
BERLIN taz ■ Mit unterschiedlichen Erwartungen hat das Ausland gestern auf die Bundestagswahl geblickt. So hoffte die Türkei auf eine Wiederwahl von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der einen Beitritt des Landes zur Europäischen Union unterstützt. Italien und Schweden setzten dagegen wohl eher auf einen Sieg von Herausforderin Angela Merkel, von der sie sich einen Wirtschaftsaufschwung und damit eine erhöhte Nachfrage für ihre Produkte erhofften.
„Eine Schicksalswahl nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Türkei“, titelte gestern die türkische Zeitung Radikal. Das Blatt erklärte die Bundestagswahl zur Abstimmung über die künftigen Beziehungen zwischen EU und der Türkei. „Diejenigen, die die Bedeutung der Türkei nicht verstehen, werden die Realitäten erkennen, wenn sie an die Macht kommen“, sagte Cuneyd Zapsu, ein Berater von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan der Nachrichtenagentur Andolu.
In Frankreich wurde Merkels Ankündigung, die Beziehungen zu den USA zu stärken, mit Skepsis aufgenommen. Für die Zeitung Libération bedeutete dies gleichzeitig eine engere Beziehung zwischen Deutschland und Großbritannien – auf Kosten „des alten französisch-deutschen Paares“. Die italienische Regierung würde wohl dagegen einen Sieg Merkels begrüßen. „Wenn ihre Politik die Wirtschaft in Schwung bringt, kann das für Italien nur positiv sein, das von einer größeren Nachfrage nach Produkten profitieren wird“, sagte auch Germano Dottori vom Zentrum für Strategische Studien in Rom.
Auch in Großbritannien blickten die Medien gespannt nach Deutschland. „Die Wahlen werden entweder ein deutliches Mandat für einen Wechsel unter Angela Merkel oder die Fortsetzung des politischen Patts unter Schröder bringen“, sagte William Horsley von der BBC.
Der US-amerikanische Nachrichtensender CNN widmete den Bundestagswahlen bereits in den vergangenen Tagen ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit. „Selbst Schröders Gegner müssen zugeben, dass er als Wahlkämpfer eine bessere Figur macht als als Regierungschef“, kommentierte der Sender gestern die Aufholjagd der SPD der letzten Wochen.
PHILIPP DUDEK