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Archiv-Artikel

KINDERHORT

sucht nach den schönsten Spielsachen

SYLVIA PRAHL

Vor 200 Jahren erschien die erste Auflage der „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm – in Berlin. Keine Frage, dass die diesjährigen Berliner Märchentage (www.berliner-märchentage.de) den mündlich überlieferten Geschichten huldigen, mit denen Jacob und Wilhelm Grimm Generationen von Kindern gleichzeitig das Fürchten lehrten und einen ziemlich brutalen Gerechtigkeitssinn schulten. Die Veranstaltungspalette reicht von Ausstellungen über Symposien und Workshops bis hin zu einem Märchenmarkt, der am Samstag und Sonntag jeweils ab 12 Uhr auf dem Nikolaikirchplatz stattfindet. Dort werden Filme gezeigt und im Märchenzelt die Geschichten von wenig zimperlichen Prinzessinnen und irgendwie immer blutleeren Prinzen vorgetragen (Eintritt Zelt 3,50/2,50 €). Das FEZ in der Wuhlheide veranstaltet ein Märchenwochenende: Spieglein, Spieglein an der Wand, zeig uns das schönste Märchen im Land! (www.fez-berlin.de, Eintritt 2/1,50 €, Familie 6/5 €). Hier werden Märchenbücher selbst gemacht, gehandwerkelt wie im Märchen (filzen, backen, spinnen), Märchen selbst gespielt und welche angesehen: Auf der Puppenbühne wirft Hans im Glück am Samstag um 15 Uhr und um 16.30 Uhr unnötigen Ballast ab, und im Kino verschluckt der nimmersatte Wolf am Samstag um 16 Uhr und am Sonntag um 14.30 Uhr und um 16 Uhr sechs der sieben Geißlein. Wie man als Kind dieses Bauchaufgeschneide locker weggesteckt hat – rätselhaft. Das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein ist eines von elf „Brüder Grimm Märchen“, die Lisbeth Zwerger ausgewählt und illustriert hat. Zwergers atmosphärisch dichte Bilder ziehen große und kleine Leser in die Untiefen der Märchen hinein. So ist das Unbehagen der Königstochter, die dem Frosch Kameradschaft versprach, wenn er nur ihre Goldkugel aus dem trüben Brunnen fischt, geradezu greifbar. Die Figuren sind nie niedlich gezeichnet. Zwar ist Zwergers unverkennbarer Strich stets zu erkennen, doch setzt sie die Schwerpunkte bei jedem Märchen anders. Während der scharfe Verstand des tapferen Schneiderleins mit filigranen Strichen und in frischen Farben veranschaulicht wird, wird das trübsinnige Dasein von Hänsel und Gretel plastisch, weil die Zeichnungen wie verschleiert wirken. Dass Zwerger mit „Hans mein Igel“ oder der Sage der „Kinder zu Hameln“ auch unbekanntere Geschichten ausgewählt hat, trägt zum Lesevergnügen des großformatigen Buchs bei (minedition, 24,95 Euro).

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