Der Meister des Lichts

Filmgeschichte Der Kameramann Robby Müller prägte Indiefilme von Jarmusch bis Wenders – und wurde selbst zur Ikone

Licht war seine Spezialität. Still aus Robby Müllers „Baywater Hotel“ aus dem Kultfilm „Down by Law“ Foto: Annet Gelink Gallery Amsterdam

von Andreas Hartmann

Es ist schon auffällig, bei wie vielen Filmen der Kameramann Robby Müller tätig war, die längst landläufig als Kultfilme gelten. Bei „Down By Law“ von Jim Jarmusch etwa oder bei „Repo Man“ von Alex Cox. Die besonderen Typen, Mythen und Stoffe scheinen geradezu nach ihm zu rufen. Egal, ob das nun ein als schwierig geltender Regisseur wie Lars von Trier, die Geschichte des popkulturellen Manchesters in den Achtzigern, wie sie in Michael Winterbottoms „24 Hours Party People“ erzählt wird, oder die Ausleuchtung von Ikonen wie Iggy Pop, Tom Waits oder Dennis Hopper ist, die vor Müllers Kamera so kauzig und eigen wie nur irgendwie möglich sein dürfen.

Bei über 50 Filmen war der inzwischen 77-jährige Niederländer für Farbgebung und Licht zuständig. Seine Karriere war dabei ziemlich international. Dem Neuen Deutschen Film verhalf er vor allem durch seine regelmäßige Zusammenarbeit mit Wim Wenders zum internationalen Erfolg, mit Lars von Trier prägte er das europäische Autorenkino und mit Jim Jarmusch den US-amerikanischen Independentfilm.

Wohl auch deshalb widmet sich die Ausstellung „Robby Müller – Master of Light“, die noch bis Anfang November im Berliner Museum für Film und Fernsehen zu sehen ist, besonders der Beziehung Müllers zu diesen drei Regisseuren.

Robby Müller ist ein Kind der Nouvelle Vague und des allgemeinen Strebens nach einem Neubeginn des Kinos in den Sechzigerjahren. Raus aus den Studios, rein ins pralle Leben, auf die Straße, unter die Leute, das war sein Ding. Er verzichtete bereits bei seinen ersten Filmen für Wim Wenders, der es mit Roadmovies amerikanischer Prägung versuchte, auf übertriebene Ausleuchtung und Kamera­akrobatik. Was ihm dann später auch das Interesse des selbsternannten Dogmafilm-Regisseurs Lars von Trier eingebracht haben dürfte, der die Absage an jede Form von Studiosterilität und künstliches Licht noch radikalisierte.

Müller ist ein Minimalist, der am liebsten mit natürlichem Licht arbeitet, um eine „Echtheit“ der Bilder zu erzeugen. Auf die Effekte von Nahaufnahmen verzichtet er weitgehend und setzt stattdessen auf Weitwinkelobjektive und lange Einstellungen. Das führte zu jenen typischen Robby-Müller-Panorama-Bildern, für die vielleicht besonders schön „Paris Texas“ von Wim Wenders steht, in dem die Europäer Wenders und Müller mit einem an den Bildern von Edward Hopper geschulten Blick ein besonders amerikanisch wirkendes Amerika erschufen.

In der kleinen Robby-Müller-Retrospektive darf also „Paris Texas“, der 1984 in Cannes die Goldene Palme gewonnen hat, genauso wenig fehlen wie „Breaking The Waves“ von Lars von Trier, bei der Müller vor allem mit der Handkamera arbeitete, deren grobkörnige Bilder dem Film seine ungemeine Dringlichkeit verleihen.

Er verzichtete auf übertriebene Ausleuchtung und ­Kameraakrobatik

Wie Wim Wenders war auch Robby Müller schon früh und anhaltend fasziniert von der Populärkultur der USA. So stammen gleich zwei der in der begleitenden Filmreihe im Arsenal gezeigten deutschen Filme aus den späten siebziger Jahren: Hans Wilhelm Geißendörfers „Die gläserne Zelle“ sowie Wenders „Der amerikanische Freund“ mit Dennis Hopper und Bruno Ganz in den Hauptrollen, sind beides Verfilmungen von Stoffen der US-amerikanischen Krimiautorin Patricia Highsmith.

Kurz nach diesen Filmen holte Peter Bogdanovich den Niederländer dann wirklich in die USA, wo er die Weite des Raums findet, die er immer gesucht hatte. In Barbet Schroe­ders „Barfly“, ebenfalls im Arsenal zu sehen, begibt er sich aber auch bereitwillig in die Enge von Kneipen, um das Leben der amerikanischen Schriftstellerikone Charles Bukowski, gespielt von dem für Bukowski-Verhältnisse vielleicht ein wenig zu ansehnlichen Mickey Rourke, plastisch darzustellen.

In seinem bislang letzten großen Film, an dem er als Kameramann beteiligt war, Jim Jarmuschs „Coffe & Cigarettes“ aus dem Jahr 2003, huldigte er dem Leben in der Bar dann noch einmal ausführlich. Nur schade, dass dieser Film, wie so viele andere unvergessliche, an denen der „Meister des Lichts“ beteiligt war, in dieser Ausstellung keinen Platz gefunden hat.

Filmreihe „Robby Müller – Master of Light“: Arsenal Kino, 4.–17. 8., www.arsenal-berlin.de