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Archiv-Artikel

Schwarz-Gelb spricht Grün

UMWELTPOLITIK Auch diese Regierung verspricht uns, das Klima zu schützen. Der Koalitionsvertrag aber bleibt in vielen Punkten diffus oder führt in die Irre

Toralf Staud

■ lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin. Er schreibt unter anderem für die Zeit und das Greenpeace-Magazin und ist Mitgründer des Online-Magazins www.wir-klimaretter.de.

Auf den ersten Blick ist der Koalitionsvertrag nicht so schlimm geworden, wie manche Klimaschützer befürchtet hatten. Im Grunde ist er sogar ein Erfolg für die Umweltbewegung: Er belegt, wie weit ihren Forderungen im Mainstream bereits Rechnung getragen wird – zumindest verbal. Denn nicht einmal mehr CDU, CSU und FDP trauen sich noch, den Umweltschutz infrage zu stellen. Und selbst Marktradikale und Industriepatrioten kommen heute nicht mehr umhin, „Klimaschutz zugleich als Wettbewerbsmotor für neue Technologien“ zu loben.

Öffentlicher Druck – und bei einigen schwarz-gelben Politikern auch Überzeugung – haben dazu geführt, dass sich die neue Koalition zum Kampf gegen die Erderwärmung bekennt. Sie „bekräftigt“ das „Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken“, und geht damit sogar über den Vertrag von Union und SPD aus dem Jahre 2005 hinaus. Doch schon beim langfristigen Reduktionsziel hat die neue Merkel-Regierung der Mut verlassen. Bis 2050 ist lediglich von „mindestens 80 Prozent“ Emissionssenkung die Rede. Die EU folgt den Empfehlungen der Wissenschaft und geht mit bis zu 95 Prozent viel weiter.

Angreifbar bei Kohle und Atom

Dieses Muster zieht sich durch den gesamten Vertrag. Die grundsätzlichen Aussagen zum Klimaschutz klingen meist gut, doch bei der Umsetzung wird es kritisch: Oft fehlen konkrete Maßnahmen, meist reichen sie nicht aus zum Erreichen der proklamierten Ziele, manchmal stehen sie gar im Widerspruch zu diesen. Die Klimabewegung bringt das in eine knifflige Lage: Frontale Angriffe gegen Merkel sind schwierig, denn sie kann immer auf ihre allgemeinen Versprechen verweisen. Kritik an wirkungslosen oder gar falschen Einzelentscheidungen aber bewegt sich meist auf einer Detailebene, die für die breite Öffentlichkeit kaum verständlich ist.

Am einfachsten dürfte der Widerstand gegen neue Kohlekraftwerke fallen: „Wir wollen auch weiterhin den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken ermöglichen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch irgendwann wird die Naturwissenschaftlerin Angela Merkel einsehen müssen, dass dies im Widerspruch zu ihren langfristigen Reduktionszielen steht. Kohlemeiler laufen 40 bis 50 Jahre, neue Kraftwerke werden also bis mindestens 2050 noch am Netz sein. Die bis dahin geplante CO2-Reduktion um 80 Prozent aber ist selbst mit „hocheffizienten Kohlekraftwerken“ nicht zu machen.

Die Formulierungen zur Atomkraft klingen fast verschämt, jede Festlegung auf längere AKW-Laufzeiten wird im Koalitionsvertrag vermieden. Man sei „dazu bereit“, heißt es nur vage.

Die Rhetorik ist das Ziel

„Wir wollen den Weg in das regenerative Zeitalter gehen und die Technologieführerschaft bei den Erneuerbaren Energien ausbauen“, schreibt Schwarz-Gelb außerdem und klingt damit sogar euphorischer als Rot-Grün 1998. Den Forderungen der Branche folgend soll die Biogas-Einspeisung ins Erdgasnetz erleichtert werden. Die Kürzung der Solarförderung, vor der Wahl noch lautstark gefordert, soll nun „im Dialog“ angegangen werden. Zudem bekennt sich Schwarz-Gelb explizit zum „unbegrenzten Einspeisevorrang“ der Erneuerbaren ins Stromnetz – all das war vor Kurzem noch undenkbar.

Richtigen Zielformulierungen folgt aber meist – nichts. Bei der Energieeffizienz etwa heißt es, man wolle „die enormen Potenziale heben“. Konkrete Ideen? Fehlanzeige. Strenge Kennzeichnungsregeln für den Energieverbrauch, etwa von Elektrogeräten oder Autos, lehnt Schwarz-Gelb ab.

Der EU-Emissionshandel wird im Koalitionsvertrag als „das vorrangige Klimaschutzinstrument“ gelobt. Er solle „perspektivisch zu einem globalen Kohlenstoffmarkt ausgebaut werden“. Klingt fein, doch der Haken folgt im nächsten Satz: Man wolle die „Höhe der Deckelung der CDM-Maßnahmen“ überprüfen. Hinter diesen Worten verbergen sich neue Schlupflöcher, dank derer deutsche Firmen bald noch mehr ihrer Klimaverpflichtungen kostensparend in die Dritte Welt abschieben können. Außerdem kündigt Schwarz-Gelb an, energieintensiven Industrien auch weiterhin ihre Verschmutzungszertifikate zu schenken – noch ein Schritt, um das angeblich „vorrangige Klimaschutzinstrument“ leise auszuhöhlen.

Wo die Betonfraktion waltet

Im Mobilitätskapitel des Koalitionsvertrages wiederum konnte die Betonfraktion ungebremst walten. Künftig wird es nicht einmal mehr zaghafte Versuche geben, den klimaschädlichen Luft-, Lkw- oder Pkw-Verkehr zu bremsen. Das Planungsrecht soll „beschleunigt“ werden, was vor allem eine Schwächung der Bürgerbeteiligung bedeuten dürfte. Eine Erhöhung der Lkw-Maut, die noch im schwarz-roten Klimapaket von Meseberg vorgesehen ist, wird nun kategorisch ausgeschlossen – als Teil eines „Belastungsmoratoriums“ für die arme Logistikindustrie.

Künftig wird es nicht mal mehr zaghafte Versuche geben, den Luft-, Lkw- oder Pkw-Verkehr zu bremsen

Auf anderen Gebieten sind Union und FDP weiter. Im Sozialkapitel heißt es etwa, dass bei einer Hartz-VI-Reform „Anreize für einen sparsamen Energieverbrauch“ eingebaut werden sollen. Das Mietrecht soll so geändert werden, dass die energetische Sanierung von Wohnungen einfacher wird. Bisher haben Hauseigentümer meist kein Interesse daran, weil der Mieter die Energiekosten tragen muss.

Schwarz-Gelb favorisiert zudem die Gründung einer Netz-AG, mit der die Macht der großen Energiekonzerne eingeschränkt werden könnte. Ein beiläufiger Satz im Koalitionsvertrag könnte gar eine kleine Baurevolution auslösen: Im Planungsrecht gelte es, heißt es auf Seite 34, auch den Klimaschutz als eines der offiziellen Planungsziele „zu verankern“.

Das klingt unspektakulär und wie ein bürokratisches Detail – ist es aber nicht. Würde nämlich der Kampf gegen die Erderwärmung als wichtiges Ziel auch in Bauordnungen aufgenommen, dann wäre der Weg frei für Vorschriften wie die Marburger Solarsatzung, die bisher noch aus juristischen Gründen blockiert wird – von einem CDU-Regierungspräsidenten übrigens.

Im kleinen Kreis sagte Angela Merkel letztes Jahr, sie müsse erst die Wahl gewinnen, dann könne sie auch wieder ambitionierten Klimaschutz machen. Im Koalitionsvertrag ist davon noch nicht viel zu sehen. TORALF STAUD