: Abtrünnige werden belohnt
BERLIN taz ■ Wahl paradox: Während die Union insgesamt verloren hat, haben die parteiinternen Kritiker gewonnen. So verteidigte CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer sein Direktmandat in Ingolstadt mit 65,9 Prozent der Stimmen. 2002 hatte er etwas weniger erzielt, 65,3 Prozent. Seehofers Erfolg ist umso bemerkenswerter, als die CSU in Bayern stark verloren hat. Dies galt auch in Ingolstadt, wo die CSU bei den Zweitstimmen nur auf 52,7 Prozent kam. Viele Bayern wollten CSU-Parteichef Edmund Stoiber einen deutlichen Denkzettel erteilen, indem sie mit der Erststimme nur Kritiker Seehofer wählten.
Seehofer amtierte bis vergangenen November als Vize in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dann trat er empört zurück, weil er den parteiinternen Gesundheitskompromiss nicht mittragen konnte. Zuvor hatte Seehofer stets gewarnt, dass Merkels Lieblingsidee einer Kopfpauschale von den Bürgern als unsolidarisch empfunden wird.
Sehr erfolgreich war auch der zweite prominente Merkel-Gegner: Der CDU-Steuerexperte Friedrich Merz hatte darauf verzichtet, sich über die Landesliste in Nordrhein-Westfalen abzusichern. Es war auch nicht nötig. Merz gewann den Hochsauerlandkreis mit 57,7 Prozent. Damit verbesserte er seinen Erfolg von 2002 um 4 Prozentpunkte – und erreichte das beste Ergebnis überhaupt, das ein CDU-Direktkandidat in Nordrhein-Westfalen erzielen konnte. Denn insgesamt schnitt die Union katastrophal ab. Bei den Zweitstimmen erreichte sie 34,4 Prozent – nachdem sie erst im Mai die Landtagswahl gewonnen hatte.
Wie Seehofer war auch Merz einst Vize in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er gab seinen Posten im vergangenen Oktober auf, weil er – so die Vermutung – keine Karrierechancen für sich sah. Inhaltliche Differenzen waren nicht zu erkennen; die CDU hatte sich zum Steuerkonzept von Merz bekannt, das nur noch drei Stufen von 12, 24 und 36 Prozent vorsah. Allerdings ermittelte die CSU, dass die Reform etwa 24 Milliarden Euro jährlich kosten würde. Als Kompromiss entschied man dann, dass der Spitzensteuersatz nur auf 39 Prozent sinken solle – bis Kompetenzteamler Paul Kirchhof kam.
Wahl paradox: Merz könnte doch noch Karriere machen, weil Kirchhof mit einem Steuermodell gescheitert ist, das seinem sehr ähnlich sieht. UH