Japan produziert erstmals Atomstrom mit Plutonium

ENERGIE Test für den Betrieb mit MOX-Elementen ist das einigermaßen unbescholtene AKW Genkai

TOKIO taz | In Japan läuft seit Montag das erste Atomkraftwerk mithilfe von Plutonium. Bis Anfang Dezember testet man die Atomstromproduktion mit MOX (Mischoxid)-Brennelementen im dritten Block des AKW Genkai auf der Hauptinsel Kyushu. Dann soll er ans Netz gehen. Die Stromversorger sind damit ihrem Traum von einem Plutoniumkreislauf einen Schritt näher gekommen. „Endlich haben wir diesen Punkt erreicht“, jubelte Shojiro Matsuura, Präsident der Vereinigung für nukleare Sicherheitsforschung und Befürworter der Atomenergie. Mehr als ein Drittel des in Japan produzierten Stroms stammt aus Atomanlagen.

Waffenfähiges Material

Atomkraftgegner kritisierten die sogenannte pluthermale Stromproduktion. Anders als bei herkömmlichen Brennelementen bestehen die umstrittenen MOX-Elemente nicht nur aus Uranoxid, sondern auch aus Plutoniumoxid oder seltener Thoriumoxid. Plutonium fällt bei der Wiederaufbereitung an und lässt sich ohne großen Aufwand zur Herstellung von atomwaffenfähigem Material nutzen. Außerdem monieren die Kritiker, dass der Leichtwasserreaktor in Genkai gar nicht für den MOX-Einsatz konstruiert wurde. „Die neue Regierung sollte sich um ein rigoroses Atomkontrollsystem bemühen“, forderte Baku Nishio vom Citizen’s Nuclear Information Center in Tokio.

Das Plutonium für Genkai stammt aus abgebrannten japanischen Brennstäben, die in Frankreich aufbereitet wurden. Jedes Jahr produzieren Japans 53 Atomkraftwerke rund 1.000 Tonnen verbrauchte Brennstäbe. Durch ihr Recycling will das ressourcenarme Japan den Kernbrennstoff effektiver nutzen und seinen Vorrat an Plutonium verringern. Die bisher erzeugten 28 Tonnen würden für 3.500 Atombomben reichen. Der Reaktor Genkai wurde für den Test ausgewählt, weil der lokale Stromversorger bisher keinen einzigen Atomunfall hatte und deshalb kaum Proteste von Anwohnern fürchten muss.

Misstrauische Bevölkerung

Bei einem Erfolg sollen MOX-Elemente bis 2015 landesweit in 16 bis 18 Leichtwasserreaktoren eingesetzt werden. Als Nächstes wollen die Stromversorger Shikoku und Chubo Electric MOX benutzen. Doch an anderen Orten dürfte es mehr Anwohnerproteste geben. Zahlreiche Pannen, Unfälle und zuletzt Erdbebenschäden haben das Misstrauen in die Atomindustrie stark wachsen lassen und schon den ersten MOX-Einsatz um viele Jahre verzögert. MARTIN FRITZ