LeserInnenbriefe
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Dem Tod entgegendämmern

betr.: „Der letzte Schuss“, taz vom 17. 7. 17

In dem Artikel über die Todesstrafe in der DDR wird erwähnt, in der BRD sei die Todesstrafe 1949 abgeschafft worden. Dem Wortlaut nach trifft das zu, faktisch praktiziert die BRD aber eine Verwahrung von Menschen bis zu deren Tod: In Bruchsal sitzt Herr N. seit 55 (!) Jahren ein, die taz hatte vor fünf Jahren zu dessen 50. Haftjahr ausführlich über ihn berichtet.

Und in der Sicherungsverwahrung dämmern bundesweit Hunderte Menschen ihrem Tod entgegen!

THOMAS MEYER-FALK, Sicherungsverwahrter JVA Freiburg

Arme Vorstände

betr.: „Zahl des Tages“, „Durchschnittslohn steigt auf 3.137 Euro“,taz vom 5. und 24. 7. 17

Am 5. Juli wurde uns mitgeteilt, dass die Vorstände der DAX-Unternehmen verarmen, weil sie im Jahr 2016 mit 5,5 Millionen Euro nur noch 50-mal so viel verdienen wie der untergebene Pöbel. Am 24. 7. 17 erfahren wir, dass der Durchschnittslohn ebendieses angestellten Pöbels auf 3.137 Euro gestiegen ist.

Meine Rechenmaschine ermittelt bei diesem monatlichen Lohn ein Jahreseinkommen von circa 40.000 Euro. Der obigen Aussage zufolge müsste es jedoch bei 110.000 Euro liegen. Die Aktionärslobby DSW beherrscht die Grundrechenarten nicht, aber muss die taz dies unkritisch wiederkäuen? ILONA KOCK, Lügde

Unglücklichster Äthiopier

betr.: „Flüchtlinge sollen sich lohnen“, taz vom 24. 7. 17

Ich lebe und arbeite seit vielen Jahren mit Straßenkindern und alleinerziehenden Müttern in Äthiopien. Der unglücklichste Äthiopier, den ich bislang getroffen habe, lebt aber in Nürnberg. Er ist nach Deutschland eingewandert, lebt von Sozialhilfe, ist sehr einsam und schwer depressiv.

CHRISTIANE HOPFER, Äthiopien-Hilfe Freinsheim

Vorübergehende Notmaßnahme

betr.: „Richtiges Ziel, falscher Weg“, taz vom 26. 7. 17

Ich bin entsetzt, dass in diesem Kommentar so unreflektiert für hochschulspezifische Aufnahmeprüfungen geworben wird. Diese sind sozial selektiv wie unser gegliedertes Schulsystem, sofern die Universitäten nicht enorme Ressourcen aufwenden, und vermutlich selbst dann.

Für Studierfähigkeitstests wird es (noch mehr) kommerzielle Vorbereitungskurse geben. Auswahlgespräche selektieren über den akademischen Habitus, wenn sich die Uni keine Dutzenden geschulten Interviewer leisten will oder kann. Menschen aus Familien mit hohem Bildungsgrad haben also einen Vorteil; dies gilt auch für Empfehlungsschreiben (Stichwort: soziales Kapital).

Bewerbungsbonus für soziales Engagement und außerschulische Aktivitäten? Da freut sich die Elite, wie es die Leuphana Universität vorführt: Wer ein Bundestagsmandat hat, hat bessere Chancen auf einen Studienplatz, aber nicht, wer jahrelang Jugendgruppen leitet. Meines Wissens ist immer noch Forschungsstand, dass von allen gängigen Auswahlverfahren die Abiturnote die beste Prognose über einen erfolgreichen Studienabschluss bietet, (föderal bedingte Schwankungen hin oder her).

Wenn aber Hochschulen die Studierfähigkeit der Be­wer­ber*in­nen mit eigenen Verfahren testen, ist die Kernfunktion des Abiturs, nämlich der Nachweis der Hochschulreife, ausgehebelt und überflüssig. Logische Konsequenz wäre dann keine Reform, sondern die Abschaffung des Abiturs. Der Kern des Problems sind doch die Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen. Dabei ist der Numerus clausus ja nur eine vorübergehende Notmaßnahme, so das Bundesverfassungsgericht – vor 45 Jahren (sic!). Wer sich weiter mit der NC-Frage beschäftigen will, möge die Publikationen der GEW sowie des Fachanwalts Wilhelm Achelpöhler aus Münster studieren. CASPAR HEYBL, Lüneburg

Palmer auf den Leim gegangen

betr.: „Petition der Woche“, taz vom 22./23. 7. 17

Bei der Diskussion über den „Aubrunnen“ ist der Kommentator Benno Stieber dem taz-Idol Palmer gehörig auf den Leim gegangen: Wenn eine Wasserfassung nicht mehr durch ein Schutzgebiet gesichert ist und zum Notbrunnen abgestuft wird, ist eben nicht gesichert, dass diese im Notfall genutzt werden kann. Das hängt nämlich von der nicht automatisch erteilten Genehmigung der Gesundheitsbehörden ab – logisch! Und die Wasserqualität unter einem Gewerbegebiet ist eher zweifelhaft. Denn wozu brauchte man sonst Wasserschutzgebiete?

Zur Wasserqualität: Der Aubrunnen hat natürlich eine geringere Qualität als das Bodenseewasser – aber schlechter heißt nicht schlecht. Sie ist vielmehr genauso gut wie die der anderen derzeit genutzten Eigenwasservorkommen Tübingens. Sein Wasser kann jederzeit direkt ins Wassernetz eingespeist werden. Und die „Ortskundigen“, nach deren Meinung ein Kompromiss möglich wäre, sind leider nicht ausreichend informiert (deswegen lehnt die BI derzeit ein Bürgervotum ab): Ein Kompromiss in Form einer Teilbebauung ist eben keiner. Denn mit der Ausweisung auch nur eines kleinen Teils des Wasserschutzgebiets als Gewerbegebiet verliert dieses automatisch seinen Schutzstatus. Dann gibt es kein Zurück mehr. Die Grundfrage aber bleibt: Braucht Tübingen zusätzlich zu den bisher schon ausgewiesenen Gewerbeflächen weitere zehn Hektar? Das ist zunächst nur eine Behauptung von Boris Palmer. Einen konkreten Bedarf hierfür, der die Preisgabe der letzten und besonders sensiblen Flächen Tübingens begründen könnte, gibt es nicht. MANUEL HAUS, Tübingen