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„Anhängliche Beamte“

PUA Feuerbergstraße: Sozialstaatsrat sagt aus, zwar Druck auf Mitarbeiter ausgeübt, nicht aber ins Alltagsgeschäft eingegriffen zu haben

Die Pädagogen hätten versucht, „sich selbst unter Druck zu setzen“

von Kaija Kutter

Sozialbehördenstaatsrat Klaus Meister hat bei seiner Vernehmung durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Feuerbergstraße eingeräumt, im März 2003 Druck auf führende Mitarbeiter ausgeübt zu haben. Er habe „deutlich gemacht, dass die Sicherheitserfordernisse auch gewährleistet sein müssen“, sagte Meister. Es sei ein „sehr kurzes, sehr einseitiges Gespräch“ gewesen, bei dem unter anderem Jugendamtsleiter Uwe Riez, der Chef des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB), Wolfgang Lerche, und wohl auch Heimleiter Wolfgang Weylandt zugehört hatten.

In den ersten sechs Wochen Betrieb des Geschlossenen Heims waren vier Jungs entflohen. In einem Zeitungsartikel hatte Meister damals erklärt, es dürfe „keine Zimperlichkeiten“ geben, Erzieher hätten die Rückendeckung der Behörde, auch mal zuzupacken.

In der PUA-Sitzung am Montag nun las die GAL-Abgeordnete Christiane Blömeke Meister aus dem Protokoll einer Teambesprechung vom 16. März 2003 vor. Darin heißt es: „Der Druck ist enorm groß. Bei weiteren Entweichungen werden Köpfe rollen.“ Fünf Wochen später war LEB-Chef Lerche gegen den Behördenreferenten Dirk Bange ausgetauscht worden. Danach wurde der private Sicherheitsdienst eingesetzt, und im Heim kamen die Neuroleptika „Truxal“ und „Risperdin“ zur Anwendung.

Letzteres sei stets von Ärzten verordnet und noch bis vor einigen Jahren überhaupt „manchem bürgerlichen Kind zur Verbesserung der Aufmerksamkeit in der Schule verabreicht“ worden, so Meister vor dem PUA. Das lasse die Vergabe „weniger skandalös“ erscheinen. Auf taz-Nachfrage musste der Staatsrat indes einräumen, „Risperdin“ mit „Ritalin“ verwechselt zu haben.

Dem Ausschuss gegenüber stellte Meister sich als „Hauptverantwortlicher“ dar, betonte aber, nicht für das „operative Geschäft“ vor Ort zuständig zu sein. Gleichwohl geht aus den Akten hervor, dass es im März 2003 ein Verbot für die Erzieher gab, mit den Jungen das Außengelände zu betreten. So hatte der Vizechef des Amtes für Jugend, Wolfgang Hammer, den Staatsrat per E-Mail darum ersucht, „Außenarbeiten neben dem 2,50 Meter hohen Zaun genehmigen zu können“. Meister bestritt nun, jenes Verbot verfügt zu haben. Als es darum gegangen sei, die Einrichtung „gegen den Rest der Welt zu etablieren, waren die Pädagogen im Haus sehr anhänglich“, so Meister. „Wenn ein höherer Hierarch da war, waren sie der Meinung, der müsse alles bestätigen.“

Konfrontiert mit einer weiteren Protokollnotiz vom 14. Januar 2004, unterstellte er den Beschäftigten vor Ort gar „falschen vorauseilenden Gehorsam“. Bis zu den Bürgerschaftswahlen, heißt es dort, stünde „der Sicherheitsaspekt bei Ausgängen im Vordergrund“. Dies sei, so Meister, nicht seine Anweisung gewesen. Vielmehr hätten die Pädagogen versucht, „sich selbst unter Druck zu setzen“.

Der PUA wird am 27. September mit der Befragung Dirk Banges zum Thema Medikation fortgesetzt.

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