„Es ist an unseren Schulen allgemein nicht weit her mit der Achtung anderer“

Das bleibt von der Woche Die Höhe der Zuzahlungen für Extras in Kitas wird begrenzt, ein „Stimmungsbild“ zu Antisemitismus in Schulen sorgt für Diskussionen, der Verfassungsschutzbericht lässt Fragen offen, und die Ernennung von Generalstaatsanwältin Koppers bringt die FDP auf die Palme

Nun wird eine Obergrenze eingeführt

Zuzahlungen für Kitas

Warum nicht einfach, zusammen mit der Deckelung, eine Art Bildungsgutschein?

Die Kitaleitung hat Macht. Wenn ihr zum Beispiel nicht passt, dass Vater X oder Mutter Y die „freiwilligen“ 150 Euro für das Frühenglisch-Angebot nicht zahlen kann oder will – tja, dann bekommt den Platz eben das nächste Kind. Oder das übernächste. Die Wartelisten auf einen Kitaplatz sind für gewöhnlich lang.

Insofern ist es richtig, dass sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Gedanken gemacht hat, wie man das Pro­blem der Zuzahlungen für Extras in den Kitas angeht. Denn wer stolz ist auf die bereits im vergangenen Jahr abgeschafften Kitagebühren, kann solche „versteckten“ Zahlungen natürlich nicht gutheißen. Ab August 2018, hieß es deshalb am Dienstag zur geplanten Änderung im Kitagesetz, müssen die Kita­träger jedes Bezahlangebot bei der Bildungsverwaltung anzeigen. Zudem wird es eine Obergrenze irgendwo im zweistelligen Bereich geben, auf die man sich nun mit den Trägern noch einvernehmlich einigen möchte.

Überhaupt werden nur noch Zuzahlungen für Extras genehmigt, die nicht auch durch das Berliner Bildungsprogramm abgedeckt werden. Im Klartext: Zu teure Sprach- und Sportkurse gehen künftig nicht mehr, denn da gibt es ja auch günstigere, vom Land bezuschusste Angebote. Ein überschaubares Extra fürs tägliche Bioessen ist aber immer noch okay. Und der nur gelegentliche Theaterbesuch fällt ohnehin nicht unter die Anzeigepflicht.

Ist der sozialen Gerechtigkeit durch die Deckelung der Zuzahlungen nun Genüge getan? Auf den ersten Blick mag das so scheinen. Doch die Frage ist nun, welche Grenze man festlegt. Was ist offiziell noch ­sozialverträglich und für alle leistbar? Auch, sagen wir, 50 Euro im ­Monat sind für einige nicht wenig.

Also hätte man rundheraus alle Zuzahlungen verbieten sollen? Nein, weil man dann mit Sicherheit das Problem in den Bereich der Gruppenkassen verschoben hätte, die gar nicht zu kontrollieren sind.

Aber warum nicht einfach, zusammen mit der Obergrenze, eine Art Bildungsgutschein herausgeben, der die Extrakosten für ärmere Familien übernimmt? Anna Klöpper

Da müssen wir endlich ran

Antisemitismus an Schulen

Problematisch, dass man nur auf eine Gruppe weist: muslimische Jugendliche

Das „Stimmungsbild von Berliner Lehrkräften zu Salafismus und Antisemitismus“ an Schulen, das das American Jewish Committee (AJC) und die Bildungsverwaltung am Mittwoch vorstellten, hat es in sich: Die befragten LehrerInnen berichteten von einem „steigenden Druck auf Schüler durch Mitschüler, auch innerhalb der Schule streng religiöse Verhaltensweisen zu befolgen“. Westlich gekleidete Mädchen würden als „Schlampe“ und „Hure“ beschimpft, Schülerinnen legten wegen des Drucks das Kopftuch an. An einigen Schulen habe sich „aufgrund sozial-religiöser Konflikte vermehrt eine Geschlechtertrennung herausgebildet“. Und: Jugendliche definierten sich zunehmend über Religion.

Nun könnte man kritisieren, dass all dies sattsam bekannt ist und dieses „Stimmungsbild“ eigentlich keine neuen Erkenntnisse bringt. Zumal es sich letztlich um eine nichtrepräsentative Umfrage unter 27 (!) LehrerInnen an 21 Schulen handelt. Man könnte auch anmerken, dass die Methodik, allein LehrerInnen zu befragen, vielleicht nicht ganz ausgereift ist. Zumal Angehörige dieser Berufsgruppe bisweilen selbst bekanntlich einige Vorurteile hegen gegen „Muslime“, „Araber“, „Türken“ – oder wie immer man Angehörige dieses Teils der Bevölkerung nennen mag.

Problematisch ist aber vor allem dies: Das AJC behauptet, man erhalte mit der Umfrage „erstmals einen breiteren Einblick, inwieweit extremistisches, intolerantes und antisemitisches Gedankengut bereits an einigen Berliner Schulen zu einem Problem geworden ist“. Heißt: Man will reden über Intoleranz, Extremismus und Antisemitismus – weist aber nur auf eine Gruppe: muslimische Jugendliche.

Dabei liegt das Problem tiefer. Salopp gesagt: Nicht nur „Jude“ ist auf dem Schulhof ein Schimpfwort, sondern auch „Krüppel“, „Mädchen“, „Schwuler“ oder „Ölauge“ (für Araber und Türken gleichermaßen). Es ist an unseren Schulen allgemein nicht weit her mit der Achtung anderer (gleich welcher Art) und damit mit der Achtung demokratischer Standards. Und da müssen die Schulen, müssen wir Erwachsenen in der Tat endlich ran. Susanne Memarnia

Fehler oder bewusstes Hochrechnen

Verfassungsschutzbericht

Forderungen nach der Schließung linker Jugendzentren bis hin zur Fußfessel

Die Vorstellung des Berliner Verfassungsschutzberichts in dieser Woche fiel mitten in eine überhitzte Debatte: Seit den Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg überbieten sich Politiker von SPD und CDU mit Forderungen, wie den in ihrem Sprachgebrauch mit Terroristen gleichgesetzten Linksradikalen beizukommen wäre. Von der Schließung linker Jugendzentren bis zur elektronischen Fußfessel darf jeder fordern, was in Wahlkampfzeiten angemessen scheint, um auf den deutlich vernehmbaren Ruf nach einem autoritären Staat zu antworten.

Kein Wunder also, dass auch mit dem Berliner Verfassungsschutzbericht Politik gemacht werden soll: Die linksradikale Szene Berlins werde größer und gewaltbereiter, sagte Innensenator Geisel (SPD) bei der Vorstellung, Verfassungsschutzchef Bernd Palenda wusste zu vermelden, in der Szene würden die Ausschreitungen in Hamburg als „Triumph“ gefeiert.

Nun ist es beim Verfassungsschutz so, dass man nie genau wissen kann, ob er wirklich so wenig weiß, wie er sagt – oder ob er nicht alles sagen will, was er weiß. Dass die Rede von einer wachsenden gewaltbereiten linksradikalen Szene in Berlin aber jeder Grundlage entbehrt, müsste eigentlich schon bei einem genaueren Blick in den Bericht selbst klar werden: Das wachsende Personenpotenzial ist – wie in jedem Jahr – zu sehr großen Teilen auf einen Mitgliederzuwachs beim Verein Rote Hilfe zurückzuführen. Dieser bietet Unterstützung in Strafverfahren, die im Kontext von politischem Engagement entstanden sind.

Der Bericht führt die Vereinsmitglieder neben den Autonomen, Postautonomen und sonstigen Linksradikalen als eigene Gruppe auf. Dadurch dürften Hunderte Doppelzählungen zustande kommen, weil es sich natürlich nicht ausschließt, gleichzeitig etwa zur autonomen Szene zu gehören und Mitglied der Roten Hilfe zu sein. Ob das ein grober handwerklicher Fehler ist oder ein bewusster Versuch, das linksradikale Personenpotenzial größer zu rechnen – das lässt wenig schmeichelhafte Rückschlüsse zu.

Dass die Häufung von Straftaten in 2016 stark beeinflusst sein dürfte durch die Geschehnisse rund um die Rigaer Straße und deswegen wenig Rückschlüsse zulässt auf den Zustand der Szene über ein solches Ereignis hinaus; dass die Ausschreitungen selbst auf für jeden einsehbaren Internetportalen von vielen kritischen Tönen begleitet werden; und dass Vorstellung des Verfassungsschutzberichts der letzte Ort ist, an dem sich die Berliner autonome Szene im engeren Sinne noch einmal richtig wichtig fühlen kann – das alles verschwindet im Geraune über die wachsende linksradikale Bedrohung, das in dieser Woche nicht nur in Berlin zu vernehmen war. Malene Gürgen

Behrendt wird erklären müssen

Causa Koppers

Die FDP-Fraktion hatte schon Einladungen samt Uhrzeit und Raum verschickt

Das war jetzt schon etwas peinlich. Oder die FDP – erst im September nach fünfjähriger Pause wieder ins Abgeordnetenhaus gekommen – hat noch nicht wieder auf dem Schirm, wer im Parlament über Sondersitzungen in den Ferien entscheidet, auch wenn es um den Justizsenator und die von ihm gewünschte Generalstaatsanwältin geht: nicht die FDP, sondern der Präsident. Das ist Ralf Wieland von der SPD. Der hat am Montag entschieden, dass es nichts wird aus einem von den Liberalen und der CDU beantragten Extratreffen des Rechtsausschusses zwei Tage später, zu dem die FDP-Fraktion schon Einladungen samt Uhrzeit und Raumnummer verschickt hatte.

Wieland lehnte nicht wegen des Themas ab. Sondern weil er die Sache nicht für dringlich genug hielt, dafür auf Steuerzahlerkosten Abgeordnete aus den Parlamentsferien zurückzuholen, die bereits nach der letzten Plenarsitzung am 6. Juli begonnen hatten. „Am Beschluss des Senats (Koppers zu berufen – Anm. d. Red.) kann der Ausschuss auch nichts ändern“, ließ er mitteilen.

Wo Wieland recht hat, hat er recht, erklären kann Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Causa auch nach den Ferien. Das muss er dann allerdings. Denn es ist schon spannend zu erfahren, warum er sich in der erwähnten letzten Plenarsitzung zwar zum Thema Koppers äußerte, aber mit keinem Wort die Ernennung ankündigte, die sein Sprecher Tags darauf bekannt gab.

Die Opposition aus CDU, FDP und AfD stört sich zum einen daran, dass Koppers bisher unter anderem Vizechefin des Landgerichts und der Polizei war, aber noch nie Staatsanwältin. Zum anderen verweist sie auf laufende Ermittlungen gegen Koppers wegen schadstoffbelasteter Schießstände der Polizei. Unterstützung bekam die Opposition am Mittwoch von einem Sozialdemokraten, dem brandenburgischen Generalstaatsanwalt und SPD-Bundestagskandidaten Erardo Rautenberg. Der nannte die Auswahlentscheidung des Senats in einem Tagesspiegel-Beitrag „von sachwidrigen Erwägungen bestimmt“.

Nun war Koppers auch noch nie Polizistin, bevor sie eineinhalb Jahre lang anerkannt kommissarische Chefin der Berliner Polizei war. Deshalb ist es weniger die Personalie als vielmehr das Handeln von Justizsenator Behrendt, das wirklich von Interesse ist. Ein langes Auswahlverfahren komme nun zum Ende, verkündete sein Sprecher, nur einen Tag nachdem Behrendt den Parlamentariern versichert hatte: „Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen“ – und danach ergänzte: „Haben Sie Vertrauen!“ Stefan Alberti