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Archiv-Artikel

Der Heißhunger des Tyrannen

Warum gibt es keine Brötchen in Slowenien? Eine märchenhaft historische Analyse

Ivan Cankar jaulte auf, als ihm der Stahl durch die Rippen drang

Warum gibt es keine Brötchen in Slowenien? Diese Frage stellt sich in der Europäischen Gemeinschaft immer dringender und ihre Beantwortung führt uns mitten hinein in die märchenhafte Geschichte Sloweniens.

Warum also gibt es keine Brötchen in Slowenien? Als Sigismund der Dritte eines Tages furchtbaren Hunger auf Brötchen hatte, da sprach er zu seinem Leibbäcker: Ivan, schaff er mir Brötchen her! Ivan Cankar, bekennender Schwarzbrotbäcker und überhaupt Gegner des weißen Mehles, fasste Verdacht. Also buk er Schwarzbrot-Brötchen, mit Kümmel versetzt und mit Rosmarin, dazu mittels Teerpartikeln getönte Roggenstangen und die berühmten „Flatternden Graugänse“. Üppige schwarzhaarige Schönheiten, gehüllt in freizügig drapierte schwarze Spitzen, umtanzten den mit dunklen Bändern umflorten Brotkorb, als dieser Sigismund an den Thron gereicht wurde. Drei Mohren bliesen in die aus Ebenholz gefertigten Alphörner, eine schwarze Messe wurde gelesen, und die berüchtigten schwarzen Witwen aus Novo Mesto stimmten ein in ihren finstren Klagegesang. Von fern her erklang das dreifach donnernde Salut der allseits bereiten Schwarzmeer-Flotte, und Schwarzkünstler aus den entlegensten Winkeln des Reiches trieben ihr schauerliches Geschäft. Verdammt, rief Sigismund, das sollen Brötchen sein? Ivan Cankar jaulte auf, als ihm der Stahl durch die Rippen drang. Kdaj je zajtrk.

Aber warum gibt es keine Brötchen in Slowenien? Als Sigismund der Dritte eines Tages entsetzlichen Hunger auf Brötchen hatte, da sprach er zu seinen Ministern: Schafft mir Brötchen her! Da setzte man sich zusammen und hielt Rat am Tisch aus Zirbelholz. France Preeren, Minister für innere und äußere Ernährung, ergriff als Erster das Wort. Ungesund und höchst bedenklich sei es, so France, zum Zwecke der Nahrungsaufnahme auf weißes Mehl zurückzugreifen. Zudem: die religiösen Wurzeln! Drago Janèar, der Kämmerer, warf die gestiegenen Weißmehl-Preise in die Waagschale, worauf Boris Pahor, oberster Zensor und Wächter der Sieben Worte, seinem Unmut freien Lauf ließ. Ein Hohn sei es, dem Begriff Brötchen überhaupt Zugang zur slowenischen Sprache zu verschaffen, ein schlechter Witz, das kulturelle Vermächtnis auf solch schändliche Art zu verschleudern. Oton Éupanèiè, zuständig für Metzelei und Dauerhaften Frieden, fügte hinzu: Rübe ab! Als Sigismund dem Dritten das Protokoll der Runde vorgelesen ward, folgte er dem Rat Oton Éupanèiès. Sem laèen.

Und warum gibt es keine Brötchen in Slowenien? Als Sigismund der Dritte eines Tages ganz grässlichen Hunger auf Brötchen hatte, da lebte auf dem Lande eine Magd, die hieß Jelena, und sie war sehr schön. Und als nun wieder der fordernde Ruf Sigismunds durchs Land drang, da quoll sie auf und gebar ein Brötchen, wie niemand es zuvor gesehen. Um die Frucht ihres Leibes zu retten, begab sie sich in die Bergwälder des Triglav, wo Fuchs, Hase und Igel sich Gute Nacht sagen. Von wilden Beeren und reinstem Quellwasser genährt, gedieh das Brötchen und wuchs zu stattlicher Größe heran. Doch ihr Glück war nicht von Dauer. Als Zemla – so nannte man das Brötchen – und seine Mutter einmal ein Bad im Bohinj nehmen wollten, da wurden sie von den Häschern Sigismunds ergriffen und in Ketten zu Hofe geführt. Endlich!, raunte Sigismund, kako vam je veè tukaj? Und mit einem Haps hatte er das Brötchen verschlungen. Jelena gebar noch viele Brötchen, die allesamt dem Heißhunger des Tyrannen zum Opfer fielen. Als sie verstarb, hauchte sie: Dober tek! Mal ehrlich, wer möchte da noch als Brötchen in Slowenien unterwegs sein? GERMAN NEUNDORFER