: A wie Alkohol
Ein Schelmenstück mit Rudi und Wonti: Wie ein TV-Moderator einen Fußballmanager attackiert, damit seinen eigenen Rausschmiss provoziert und das Opfer aufersteht als lebendes Denkmal
VON MARKUS VÖLKER
Ein Büchlein, in dem „Meister des runden Leders“ vorgestellt werden, beginnt beim Rundledermeister Rudi Assauer mit A wie „Alkohol“. Es wird berichtet, dass sich der Manager des FC Schalke 04 nach einem Spielausfall „mit rotem Aufgesetzten“ nahezu besinnungslos betrunken habe. „Ich dachte, ich würde Blut kotzen und sterben“, wird Assauer zitiert. Dies sei nicht die einzige Übungseinheit am Tresen gewesen, nein, schon bei der Spielvereinigung Herten habe Assauer im Vereinsheim „Altes Wirtshaus Christ“ stets ein warmes Plätzchen und ein Kaltgetränk bekommen. Assauer zu dieser Episode: „Die Wirtin, das war meine zweite Mutter, die hat mich großgezogen.“ Man weiß mittlerweile, dass Rudi Assauer „mal ein Weinchen und ein Pils“ trinkt – oder ein paar Gläser mehr. Er kokettiert offen damit. In Werbespots geht er selbstironisch mit seiner Schwäche für Hopfengetränke um. Auch ist hinlänglich bekannt, dass er nichts dagegen hat, wenn die königsblauen Profis beim Mannschaftsabend ein Bier bestellen. Weil die meisten Spieler aber trotz dieser liberalen Sichtweise beim Wasser bleiben, musste Assauer leicht verdutzt feststellen: „Was hätten wir uns früher einen gezogen. Es fehlt halt an Typen.“
Assauer ist ein Typ, ein folkloristisches Faktotum, ach was, „ein Denkmal“, wie es Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies verkündete. Aber warum musste das der Herr Tönnis gesondert hervorheben – und noch dazu in der Bild-Zeitung? Weil ein anderer Folklorist der Liga, einer, der nicht die Informationen in handlichen Paketen zuliefert, sondern selbige ausschlachtet, Jörg Wontorra vom Deutschen Sport-Fernsehen (DSF) nämlich, weil dieser den Manager attackiert hatte. Er hatte ihn nicht sachlich kritisiert, sondern auf Assauers Alkoholkonsum spöttisch angespielt. Kurioserweise hieß die Sendung, in der bierselig diskutiert wurde, „Doppelpass“. Der Ball rollte mit Schmackes von Bierglas zu Bierglas. Krüge barsten. Wontorra, der den putzigen Beinamen „Wonti“ trägt, legte Bild die Schlagzeile nahe: „Assauer voll dabei.“ Und er riet dem Schalker, sich nicht nur von Flüssigem zu ernähren, es gebe ja noch andere Grundnahrungsmittel. Kurzum: Es wurde wieder einmal viel Heuchelei versendet und maliziöses Bramarbasieren als journalistische Leistung, als Tabubruch gar dargestellt. Dabei hatte Wontorra sich schlichtweg vertan in der Einschätzung, Rudi Assauer sei ein willkommenes Opfer nach dessen Haudrauf-Kritik an der Schalker Mannschaft und Trainer Ralf Rangnick. Er sei also in jener Verfassung, in der ihn ein Bruder im Geiste desavouieren darf. Plötzlich wurde die Akte Assauer geöffnet, und heraus kam wahrlich Sensationelles: dass Assauer vor zwei Jahren auf Entziehungskur fahren sollte. Dass der Vorstand ihm Hilfe zukommen lassen wolle. Dass er entmachtet sei. Dass der FC Schalke 04 am Mittwoch in blauen Leibchen spielen werde. Potzblitz und Zapperlot.
Nun muss man sagen, dass Assauer nach dem Spiel der Schalker in der Champions League gegen den PSV Eindhoven mächtig vom Leder gezogen hatte und dass seine Zunge verdächtig schwer schien. Doch unterschied sich seine erregte Rede keinen Deut vom echauffierten Gepolter eines Franz Beckenbauer. Assauer bewegte sich auf kaiserlichem Terrain; die Mannschaft gab ihm zudem allen Grund zu scharfer Kritik. Doch nach diesem Auftritt waren sich einflussreiche Kreise offenbar einig, dass Assauers Ruhrpott-Folklore hier und da ganz nett sei, aber nicht mehr vereinbar mit der glatten Außendarstellung eines Bundesligavereins. Plötzlich war Assauer nicht mehr kompatibel – wie auch Wonti annahm. Doch auf Schalke haben Fußballfolkloristen der alten Schule noch längst nicht ausgedient. Assauer wurde tags darauf ein „Sieg im Machtkampf“ attestiert. Er darf weiter sein Veltins trinken. Wontorra entschuldigte sich und bekundete in der bunten Zeitung reumütig: „Ich schwöre, dass ich es Rudi gegenüber wieder gutmache!“ Man sollte ihn nicht wegen der untergriffigen Zwischentöne feuern, wie es das DSF kurz überlegt hatte, sondern wegen des anbiedernden Mea culpa, das in dem Satz gipfelte: „Ich kann nur sagen, dass ich morgens schon irgendwie schlecht drauf war.“
Rudi Assauer darf sich nach dieser Geschichte endgültig auf den Posten des possierlichen Klub-Maskottchens zurückziehen – und ein Rauchzeichen absondern. Wonti wird es zu deuten wissen.