Von Bayern aus nach Jamaika

Ganz sozial, ökologisch, basisdemokratisch und pazifistisch: Im grün-schwarz verschatteten Biergarten finden die Kinder des Bürgertums zueinander

Hinter dem Maximilianeum, unter schattigen Kastanienbäumen im Biergarten des Hofbräukellers sitzen die bayerischen Landespolitiker gern zusammen nach getaner Arbeit. Ein, zwei Maß kühlen Bieres verbinden eben, trotz manch programmatischer Unterschiede, trotz unterschiedlicher Wählerklientel. In Bayern ist es deswegen nicht so undenkbar, was ein entzauberter CSU-Ministerpräsident Stoiber in der Wahlnacht vorgeschlagen hat: „Merkel wird zusammen mit der FDP die Grünen zu Gesprächen einladen.“ Bei der schwarz-weiß-blauen Wahlparty gab es dafür um Mitternacht Beifall. Und in beinahe lyrischer Weise fügte er hinzu: „Man muss jetzt alle Möglichkeiten durchdenken, auch wenn sie undenkbar erscheinen.“

Vor allem für den Norden ist Jamaika noch undenkbar, zu stark ist dort wohl das Gefälle zwischen toskanischem Rotwein und bürgerlichem Pils. Das gilt auch für den Antiatomkämpfer Jürgen Trittin, der sich kein Zusammengehen mit den Schwarzen vorstellen kann, zu sehr eckt er an mit seinem kompetenten Ökofundamentalismus oder zuletzt nach dem „Katrina“-Inferno mit seiner Bush-Kritik. Einer wie er wäre im schwarzen Lager kaum vermittelbar. Aber auch auf der anderen Seite gibt es kompetente Fundamentalisten, die sich gegen Jamaika sträuben. Bayerns Innenminister Günther Beckstein wäre mit seiner radikalen Innen- und Sicherheitspolitik noch unbequemer als Otto Schily. Kaum vorstellbar, dass hier gemeinsame Politik möglich ist. So warnte auch der Rechtsaußen am Dienstag vor dem Gang nach Jamaika, man strebe schließlich eine härtere Ausländerpolitik an. „Ich sehe bei weitem nicht, wie man zu einem Ergebnis kommt.“

Dabei übersieht Beckstein, dass man in vielen Themen durchaus nicht weit auseinander liegt, wie auch eine freudige Jamaika-Analyse von Josef Göppel zeigt. Der CSU-MdB und Diplomforstingenieur hat bereits am Wahlabend auf drei Seiten eine beinahe wissenschaftliche Zusammenschau von schwarz-grünen Gemeinsamkeiten an Kollegen und Medien gefaxt. Gemeinsam sei man etwa „gegen FDP-Liberalismus“, für mehr Subsidiarität und eine stärkere umweltpolitische Verantwortung der Unternehmen. Und es gebe sogar „gemeinsame konservative Grundwerte“, wenn sie auch unterschiedliche Namen hätten: Die „Heimat“ der CSU heiße bei den Grünen eben „regionale Identität“. Kein Wunder, sind doch Teile der bayerischen Grünen – die übrigens ihr bestes Ergebnis (7,9 Prozent) seit Bestehen erzielt haben – wertkonservative Ökologen, die bis Anfang der 80er-Jahre noch Schwarz gewählt haben. Und egal ob der grüne Münchner Stadtrat Boris Schwartz oder sein Landesvorsitzender Sepp Daxenberger: Auch Grün trägt gerne Tracht. So weit ist man also gar nicht auseinander. Und wer’s nicht glaubt, kann sich ja einmal mit dem politischen Nachwuchs zur türkischen Runde in den Quergang des Maximilianeums stellen und dabei feststellen, dass es auch bei der bayerischen Innenpolitik mehr Freiräume und Gemeinsamkeiten gibt, als man in Berlin glauben mag. Natürlich nur, wenn Beckstein nicht im Haus ist – sonst geht’s eben zum Maßkrugstemmen in den Biergarten. Ganz sozial, ökologisch, basisdemokratisch und pazifistisch. Oder, wie der Historiker Paul Nolte sagt: „Mit Schwarz-Grün finden die Kinder des Bürgertums zueinander.“ MAX HÄGLER