: AMERICAN PIEVom Betrüger zum Beglücker
Keine Frage, es war der Wendepunkt: Das Match zwischen Los Angeles Galaxy und dem AC Milan, das 2:2 endete, war für David Beckham auf den ersten Blick ein fürchterliches Desaster. Er wurde beschimpft, geschmäht, bepöbelt. „Geh nach Hause, Betrüger“ und „Du bist übel“ hatten Fans auf Plakate gemalt. Man schrieb den 20. Juli 2009, und Beckham schien am Ende. Die Fans hatten genug vom englischen Schönspieler, der sich immer wieder nach Europa abgesetzt hatte, zum AC Milan. Mitspieler Landon Donovan hatte ihm in dem Buch „The Beckham Experiment“ auch noch vorgeworfen, nichts für die Mannschaft getan zu haben. Doch Beckham sagte schon damals nach dem für ihn so schrecklichen Spiel: „Es ist manchmal auch positiv, ausgepfiffen zu werden. Es bringt einem Inspiration.“
Seinerzeit gab es in Amerika eigentlich nur noch einen, der uneingeschränkt zu Beckham hielt, der Commissioner der Major League Soccer (MLS), Don Garber. Er sah in dem Engländer nach wie vor den Heilsbringer der Liga, mit ihm sei der „Durchbruch“ gelungen. Gut drei Monate später sieht es wirklich so aus, als sei der Knoten geplatzt – bei Beckham und seinem Team, das in den letzten vier Jahren stets die Playoff-Teilnahme verpasst hatte. Jetzt sind sie ins Halbfinale vorgestoßen. Am Freitag wartet Dynamo Houston auf die Kalifornier. Die öffentliche Meinung ist gekippt. Beckham wird für den Erfolg verantwortlich gemacht, vor allem seine Wandlung zum Teamspieler wird hervorgehoben. Hatte Grant Wahl, Autor von „The Beckham Experiment“, vor Beckhams Kehrtwende noch gesagt, der Brite habe nicht gewusst, wie schlecht Galaxy wirklich sei und, in einer Schockstarre befindlich, als „Führer der Mannschaft“ versagt, so hat ihn die Realität mittlerweile widerlegt.
Beckham produziert wieder positive Schlagzeilen. Die Versöhnung mit Donovan durfte in dieser Auferstehungsgeschichte nicht fehlen. „Ich glaube, er ist jetzt stolz, hier zu sein, das macht einen Riesenunterschied“, sagte Donovan. Beckham, der seinem stürmenden Kollegen nach der Buchveröffentlichung noch mangelnde Professionalität vorgeworfen hatte, bezeichnet den Exbayern jetzt als herausragenden Spieler und Menschen. Der Trainer der Galaxy, Bruce Arena, will beobachtet haben, wie sich die Profis aneinander erfreuen und gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln.
Es mag dem Klub etwas gebracht haben, dass sich Beckham gegen das Scheitern seines US-Engagements stemmt, entscheidender ist aber wohl das Händchen von Arena. Er hat Beckham auf die Position des Spielmachers beordert und die löchrige Abwehr der Galaxy gestopft. In der Vorsaison kassierte der Klub 62 Gegentreffer, heuer sind es nur 31 in 30 Spielen. Gregg Berhalter, zuletzt bei den Münchner Löwen aktiv, stabilisiert die Defensive. Das alles hat den Zuschauerschwund nicht aufhalten können. Im Schnitt sind nur noch rund 20.000 Fans zu Heimspielen gekommen. In der Vorsaison waren es noch 26.009. Viele der 15 MLS-Klubs verkaufen weniger Tickets. Besonders schlecht sieht es in New York aus, wo nur etwa 12.000 Zuschauer kommen. Ein neues Stadion soll Abhilfe schaffen.
Commissioner Don Garber ist dennoch optimistisch, dass die Liga weiterwachsen kann. 2010 sollen schwarze Zahlen geschrieben werden. Die Liga wird mit einem Team aus Philadelphia auf 16 Teams aufgestockt. 2011 kommen noch Vancouver und Portland hinzu. Das Interesse europäischer Klubs an der MLS wächst. Es sind vor allem spanische Spitzenvereine wie Real Madrid und der FC Barcelona, die um die Fußballbegeisterung der Hispanics in den USA wissen. Real kooperiert mit Real Salt Lake, Barcelona wird mit Philadelphia in Zusammenhang gebracht. Ein Drittel der Soccer-Fans sind hispanischer Herkunft. Das ist für die Liga eine gute Nachricht, denn die Bürger spanischer oder lateinamerikanischer Herkunft sind die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in den Staaten. 2050 werden sie etwa 25 Prozent der Einwohner stellen.
In ihrem Expansionsbestreben kommt es der Liga sehr gelegen, dass sich ihr Starspieler nicht als Niete entpuppt, sondern als ein Kämpfer. David Beckham nimmt seinen Auftrag wieder ernst. MARKUS VÖLKER