Die Kraft des einzelnen Bildes

AUSSTELLUNG Die Galerie Mitte im Viertel zeigt mit „Der stete Tropfen“ eine Werkschau der Fotografin Julia Baier – es geht dabei, wie meist in ihrer künstlerischen Arbeit, ums Baden und um das Wasser

Julia Baier inszeniert nicht und sie stellt die Porträtierten auch nicht bloß. Sie vermittelt ihnen stattdessen Unbeobachtetsein

Wasser, so weit das Bild reicht. Irgendwie geht es fast immer ums Wasser, bei Julia Baier. All die Jahre. Also, wenn sie als Künstlerin unterwegs ist. Und nicht einfach nur als professionelle Fotografin, die eben, mittlerweile von Berlin aus, für viele internationale Magazine, Zeitungen, Agenturen und Firmen arbeitet, und manchmal auch noch für die taz.

Das Wasser also. Und mehr noch: das Baden. Die Menschen dabei. Sonst ja gerne auch in Form der öffentlichen Badeanstalten dieser Welt. Nur diesmal nicht, bei der Ausstellung „Der stete Tropfen“, die seit Freitag in der Galerie Mitte im Viertel zu sehen ist. Die wiederum funktioniert wie ein typischer „White cube“, wie man ihn aus der zeitgenössischen Kunst üblicherweise so kennt. Und weniger als ein Ort, an dem es im Kern vor allem um das Verkaufen von Kunstware geht. „Das darf nicht das erste Anliegen sein“, sagt die Galeristin dann. Deswegen dürfen auch die silbernen Bilderrahmen fehlen, und die Passepartouts, dürfen die Fotos so hängen, pinnen, dass man sie nicht einfach abschreiten kann, gemessenen Schrittes.

Allesamt sind sie schwarz/weiß, und fast alle sind sie auf analoge Weise entstanden, mit einer kleinen Leica mit Weitwinkelobjektiv. Nicht wegen des nostalgischen Flairs, sagt Baier, sondern weil die fehlende Farbe den Bildern etwas „Zeitloses“ verleihe. Ihre Bilder sind wunderbar konzentriert und zugleich von einer intensive Ruhe, sie betonen Linien und Strukturen, ohne gerade die stets zum Konzept zu erheben. Sie verweisen zwar auf einen Ort, an dem sie entstanden sind, haben aber zumeist keinen Titel. Und brauchen auch keinen. Weder um erklärt zu werden, noch um noch eine zusätzliche Bedeutungsebene zu bekommen. Baier inszeniert nicht und sie stellt die Porträtierten auch nicht bloß, vermittelt ihnen stattdessen Unbeobachtetsein. Sie hält einen respektvollen Abstand und ist doch Teil der Szenerie.

Die 41-Jährige ist in Augsburg geboren, zwischen drei Flüssen im bayerischen Passau aufgewachsen und hat in Bremen zuerst Psychologie, Französisch, Kunst und dann Grafikdesign an der Hochschule für Künste (HfK) studiert. Sie kommt noch nicht aus der formenstrengen, dokumentarisch orientierten Schule des Fotografen Peter Bialobrzeski, der seit 2002 an der HfK lehrt.

Genau das ist Baiers Stärke. Sie vertraut der Macht, der Kraft des einzelnen Bildes, das auch ohne das Gesetz der Serie wirkt. Das nicht der Sterilität der Konzeptkunst bedarf. Was nicht heißt, dass dieser Aspekt der Fotografie nicht vorkäme. Doch brillant ist sie vor allem dort, wo ihre Bilder sehr narrativ sind.

„Der stete Tropfen“ zeigt Fotografien, die zwischen 1997 und heute entstanden sind. Eine Art Werkschau also. Trotzdem oder gerade deswegen, allem seriellem, thematisch gleichförmigen zum Trotze – fügen sich Baiers Bilder nicht zu einem homogenen Ganzen zusammen. Gut so. Sehr gut. JAN ZIER

Bis 16. Dezember in der Galerie Mitte, Beim Paulskloster 12, 28203 Bremen. Do–So, 15–18 Uhr, Eintritt frei. Die Preise für die Fotos (limitierte Auflage) bewegen sich zwischen 350 und 1.000 Euro