: Gute Filme, böse Filme
NS-PROPAGANDA Von 1933 bis 1945 wurden 1.800 Filmproduktionen hergestellt. 40 dürfen nur unter bestimmten Bedingungen aufgeführt werden. Im Zeughaus wurde darüber diskutiert, wie mit NS-Werken umgegangen wird
■ „Heimkehr“ ist ein antipolnischer Film von Gustav Ucicky von 1941. Er behandelt die angebliche Unterdrückung der deutschen Minderheit in Polen Ende der 30er Jahre und deren „Befreiung“ durch die NS-Diktatur. Wegen dieser propagandistischen Intention wurde er nach 1945 als Vorbehaltsfilm eingestuft.
VON CHRISTINA STEENKEN
„Jud Süß“ oder „Heimkehr“ sind Filme, deren Namen viele Menschen kennen, aber noch nie gesehen haben. Der Grund: Sie dürfen weder auf DVD erscheinen noch im Fernsehen gezeigt werden. Sie stehen auf einer sogenannten Vorbehaltsliste. Sie gelten als antisemitisch, volksverhetzend oder kriegsverherrlichend – oder alles zusammen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmten die Alliierten alle Produktionen der nationalsozialistischen Filmwirtschaft: insgesamt 1.200 Filmspiele und 600 Kurzfilme. Sie wurden gesichtet und bewertet. Einige Filme wurden rasch wieder freigegeben, andere mussten neu geschnitten werden, etwa 200 kamen auf eine Verbotsliste.
Aus dieser Kategorie wurde später die Vorbehaltsliste, und diese schrumpfte im Laufe der Jahre immer weiter zusammen. Denn mit der Gründung der FSK 1949, also der Freiwilligen Selbstkontrolle, fiel die Filmzensur wieder unter deutsche Leitung. Filme wurden erneut angeschaut und teilweise anders beurteilt. Heutzutage gibt es noch gut 40 Filme, die von der FSK keine Zulassung erhalten haben. Sie dürfen nur unter Vorbehalt, das heißt bei Veranstaltungen mit fachkundiger Einführung und anschließender Diskussion, gezeigt werden.
Als Rechte-Inhaber wacht die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden über die NS-Propagandafilme. Kommt es zu nicht genehmigten Vorführungen, kann dies strafrechtlich verfolgt werden. Doch nach welchen Kriterien landeten die Filme auf der Vorbehaltsliste?
Bei manchen Nazi-Filmen reichen ein paar – oft umstrittene – Schnitte aus, um Hakenkreuze und Embleme zu entfernen, damit der Film von der FSK freigegeben wird und dann kommerziell vermarktet werden darf, sagte Christiane von Wahlert, Geschäftsführerin der FSK, auf einer Podiumsdiskussion am Samstagabend im Zeughauskino. So kommt es, dass mittlerweile verschiedene Fassungen der einzelnen Filme existieren.
Viele andere Spielfilme, deren psychologische Wirkung viel eindringlicher waren, sind indes nicht als Vorbehaltsfilme eingestuft. Sie könnten zum Beispiel rechtsextreme Jugendliche viel leichter in ihren Ansichten bestärken. Das betrifft etwa einige Arbeiten des Regisseurs Veit Harlan und sogar die „Feuerzangenbowle“ von 1944 mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle – und führt zu Irritationen bei vielen Zuschauern. Ernst Szebedits, Leiter der Murnau-Stiftung, gab am Samstag zu, dass die Entscheidungen über die Vorbehaltsfilme nicht immer ganz transparent und nachvollziehbar seien. Da man kein bestimmtes Raster anlegen könnte, sei es im Endeffekt ein Mehrheitsbeschluss unter den Mitgliedern des Kuratoriums, das aus Vertretern der Filmwirtschaft und der öffentlichen Hand besteht.
Generell zeigt sich der Umgang mit dem Filmerbe aus der Zeit des Dritten Reiches mehr als schwierig. Zwar gäbe es immer wieder Versuche, die NS-Propagandafilme auf die Agenda zu setzen – Ausstrahlungen im Fernsehen oder Vorführungen für Schulklassen. Doch letztendlich fehle schlicht die Nachfrage, so Szebedits.
Der Umgang mit dem Erbe der Nationalsozialisten scheint zu einem Dilemma zu führen, so ein Fazit der Runde. Auf der einen Seite wird durch das „Mystifizieren“ der Filme die Neugier verstärkt. Andererseits fürchtet man negative Presse: dass etwa nationalsozialistische Propagandafilme als problemlos angesehen würden, sollte man die Liste aufheben. Da sich die Filme aus heutiger Perspektive aber eh nicht als Unterhaltungsfilme eignen und Zuschauer den Propagandamitteln der Nazis standhalten können, sollte man den Umgang mit ihnen noch einmal überdenken und den Weg in die öffentliche Debatte wagen.
■ Seit September 2011 präsentiert die Reihe „Unter Vorbehalt“ Propagandafilme aus der NS-Zeit in unregelmäßigen Abständen im Zeughauskino