: Aha-Erlebnis
Comic Das Kollektiv Ping Pong aus Hongkong zu Besuch im Museum für Kommunikation
„Wenn du mich gewollt hättest, wäre ich zu dir gekommen, um deinen Schmerz zu lindern“. Ein langer Titel für ein einziges Bild. Aber er passt zu dessen horizontaler Breite. Aufgefächert wie ein Leporello scheint es auf den ersten Blick eine chinesische Landschaft darzustellen. Es ist eine imaginäre Landschaft, erklärt die Künstlerin Vivian Ho, „angeknüpft an die Tradition der chinesischen Landschaftsmalerei, aber in moderner Illustrationstechnik. Thematisch arbeite ich damit auch persönliche Erfahrungen in einer Beziehung auf.“ Zugleich spielt das Bild mit Motiven aus östlicher und westlicher Kultur, ein roter Faden durchzieht das Bild und verbindet die Gegensätze.
Die 27-jährige Vivian Ho ist Teil des Künstlerkollektivs Ping Pong aus Hongkong, einer Gruppe von Illustratoren und Comiczeichner. Im Museum für Kommunikation findet nun ihre erste gemeinsame Ausstellung in Deutschland statt.
Die kleine, feine Präsentation bietet einen Einblick in eine hierzulande unbekannte Zeichnerszene. Der Illustrator Leumas To gründete Ping Pong 2014 und fand schnell Mitstreiter, um zusammen ein jährliches Magazin herauszugeben und Ausstellungen zu organisieren. Mittlerweile sind es elf Mitglieder, von denen fünf nach Berlin mitgekommen sind.
Kuratiert wird die Ausstellung vom Hongkong Arts Centre, einer ambitionierten Institution, die über ihre Comix Homebase Comics und Animationskunst fördert. Auf einem runden Tisch wird in der Schau spielerisch die Geschichte des Ping-Pong-Kollektivs mittels Tischtennisschlägern dokumentiert. Leumas To zeigte sich vor Jahren beeindruckt, als er auf die legendären Avantgarde-Comicmagazine der Cockroach-Reihe aus den 1990er Jahren stieß. Das war für ihn das Aha-Erlebnis, das ihn bewog, selbst eine Gruppe zu gründen.
„Die Comicszene in Hongkong“, sagt er, „wird schon lange von Mainstream-Comics dominiert, bei denen es unter anderem um Kung Fu geht. Wir hingegen wollen Independent-Comics und Illustrationen machen, die eine persönliche Handschrift tragen. Uns geht es um die Vielfalt. Jeder bringt einen anderen Stil mit ins Boot.“
Leumas Tos eigener Bilderzyklus „The Gospel of Pyongyang“ ist etwa von einem Besuch des Zeichners im Louvre geprägt: hier entdeckte er christliche Kunst der Frührenaissance, die ihn inspirierte. Auf ironische Weise spannt er in seinen Zeichnungen einen Bogen von christlicher Bildsymbolik zu den Verhältnissen in Nordkorea. Vor allem die absurde Vergöttlichung der Kim-Familie wird bloßgestellt, indem er deren Präsidenten mit Heiligenschein oder Strahlenkranz darstellt und die menschenverachtenden realen Verhältnisse in Nordkorea in Bezug setzt zu westlichen Marken wie McDonald’s oder den Tele-Tubbies.
Erfrischende Leichtigkeit spricht aus den Bildern von Nykie Ngan, die sich in farbenfrohen Screen-Prints pointiert mit Gepflogenheiten der Freizeitkultur auseinandersetzt. Ein eher düsteres Kaliber ist der Künstler Overloaddance, der von Mangas beeinflusst ist, in eigenen Zeichnungen aber eher westlich-puristisch mit Bleistift zeichnet, bevor er sie mit dem Computer nachbearbeitet. Von ihm sind Auszüge aus einer Graphic Novel zu sehen, die vom Rachefeldzug einer Katze gegen die Menschen handelt. Ausgangspunkt für seine Arbeit war das grausame Verhalten seiner Landsleute gegenüber Straßenkatzen.
Poetisch wiederum wirken die zarten Zeichnungen von Wongszechit, die der Künstler mit Bleistift und Buntstiften anfertigte. Vulkanausbrüche, brennende Wälder oder gestrandete Wale werden sehr undramatisch dargestellt. Gerade durch die Aussparung des Menschen auf den Bildern wird die ökologische Katastrophe und die subtile Zivilisationskritik umso deutlicher.
„Ich möchte Emotionen erzeugen“, sagt der Künstler, der wie seine Ping-Pong-Mitspielerin Vivian Ho die traditionelle chinesische Natur-Motivik zitiert. „Das“, beteuert er, „geschah eher unbewusst“. Ralph Trommer
„Let's Play Ping Pong!“: Museum für Kommunikation, Leipziger Str. 17, bis 2. Juli. Zur Eröffnung heute am Samstag Aktionstag, u. a. mit Live-Comic-Jam als Treffen von Ping-Pong-Künstlern mit deutschen Zeichnern. 11.30–18 Uhr, Eintritt frei
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